Architekturwettbewerbe: Öffnet die Jurys!

Der Berliner Senat bekundet immer wieder, dass Planungswettbewerbe sein Mittel der Wahl seien, um unsere Umwelt vielfältig, innovativ, dynamisch, klimagerecht etc. pp. zu gestalten. Doch seit 2020 verzeichnet die Liste der Bauverwaltung nur 17 öffentliche Ausschreibungen für Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung: Schulen, ein Rathaus, Verwaltungen, Grünanlagen, Sportanlagen – darunter auch der gerade klima- und denkmalpolitisch extrem umstrittene Neubau für das Jahn-Stadion. In Brandenburg dagegen fanden in dieser Zeit 30 Wettbewerbe für öffentliche Bauten und Anlagen statt. Keine gute Bilanz für Berlin also.

Vor kurzem verstarb viel zu früh der großartige Architekt, Lehrer und Juryleiter Arno Lederer. Er war unter anderem 2016 Vorsitzender der Jury, die über das Projekt Museum der Moderne auf dem Berliner Kulturforum urteilte. Eine Kollegin vom RBB stöhnte bei der Vorstellung der Siegerarbeit deutlich vernehmbar: „Mein Gott, eine Scheune“. Lederer rügte sie mit strengem Blick.

Es gibt in Wettbewerbern immer nur relative Urteile

Zwar lag er in der Beurteilung des Projekts falsch – es ist bis heute in wirklich jeder Hinsicht ein Skandal. Aber in der Verfahrensfrage hatte Lederer Recht: Eine Jury kann nur über das entscheiden, was von den Auftraggebern ins Wettbewerbsprogramm geschrieben worden ist und was auf Grund dieses Programms von Architekturbüros als Entwurf eingereicht wird. Es gibt in Wettbewerben wie in der Demokratie immer nur relative Urteile, nie absolute.

Allerdings dienen wie in diesem Fall, das zeigt die gesamte historische Forschung, Wettbewerbe auch oft dazu, breitere Debatten mindestens zu behindern. Deswegen wurde schon in der ersten, bis heute in weiten Teilen geltenden Wettbewerbsordnung von 1868 gefordert, dass die eingereichten Arbeiten vor der Jurysitzung öffentlich ausgestellt werden. Damit sich die interessierte Öffentlichkeit ein Urteil bilden kann, bevor über den künstlerischen Wert entschieden wird.

Die Behauptung, dass dies die Neutralität des Jury-Urteils verfälsche, ist niemals belegt worden – aber es gibt unermesslich viele Beweise, dass die Reihenfolge „Erst Jury, dann Debatte“ vor allem die Dominanz von Auftraggebern und der Architektenschaft im Planungsprozess sichert. Dass Jury-Urteile von der Öffentlichkeit gegen diese Phalanx gestürzt werden konnten, ist deswegen überaus selten.

Dabei kann eine Jury, wie man in Skandinavien, in den USA, auch bei deutschen Landschaftsplanern schnell lernen kann, nach einer öffentlichen Debatte viel genauer, informierter urteilen. Wenn denn überhaupt Wettbewerbe ausgeschrieben werden: Für 2023 ist auf der Seite der Senatsbauverwaltung bisher kein einziger angekündigt.

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