Architektur von Schulbauten: Versprechen auf sozialen Aufstieg

Gerade war ich in Weissensee, habe eine der neuen Berliner Systemschulen gesehen, passend zur Woche der Notenvergabe-Runden. Die 49. Grundschule an der Rennbahnstraße. Architektonisch eine Art Fabrik, saubere Konstruktion mit fein gesetzten Kanten, aber doch sehr streng gerastert, viel Licht, Luft und Sonne.

Ein Bau, der mit jeder Fuge signalisiert: Jetzt wird gelernt, hopp hopp. Immerhin, die von der Künstlerin Andrea Pichel historisierend nach dem Vorbild von DDR-Mosaiken gestalteten Brüstungsfelder bringen ein wenig Stimmung. Kunst am Bau lohnt sich. Und das ornamental geschwungene Rasenbeet mag vielleicht an der Alltagsbelastung scheitern, aber es ist doch mal ein Hoffnungszeichen: Schule darf auch locker sein.

Skandinavien gibt mehr Geld für seine Kinder aus

Sicher, dieser Bau ist nicht so heiter wie die skandinavischen, britischen, amerikanischen oder westdeutschen Pavillonschulen der Nachkriegszeit. Andererseits zeigten die vielen eher kasernengleichen oder supermonumentalen Schulen der Kaiserzeit, die Raumschiffartigen Mittelstufenzentren West-Berlins, die simplen Plattenbauschulen der DDR: Wichtiger als die Architektur sind meistens die Lehrerinnen und Lehrer und das Programm.

Dennoch strahlt der Schulbau selbst auch eine Botschaft aus: Wenn ganze Schülergenerationen hier nur das Bauschild vor dem verrotteten Haus erleben müssen, ohne dass etwas geschieht, ist kaum zu verlangen, dass diese Kinder und Jugendlichen voller Optimismus ins Leben schauen.

Zustand der Schulen enorm wichtig

Das ist kein Naturgesetz. Skandinavien gibt erheblich mehr Geld für seine Kinder aus, auch das oft so unterschätzte Belgien. Deutschland liegt nach allen OECD-Statistiken immer am unteren Rand des Mittelfelds der Bildungsinvestitionen.

Deutsche Wähler investieren lieber in Parteien, die Autobahnen, Steuersparprogramme, den Kampf gegen angebliche Kriminalitätswellen (tatsächlich sinkt sie seit Jahrzehnten ständig), herzlose Asylpolitik, kurzsichtige Einwanderervergrämung oder die irrwitzige Beschwörung der „schwäbischen Hausfrau“ als volkswirtschaftlichem Ideal versprechen. Mit Schulbauprogrammen gewinnt man keine Wahlen, die SPD und die Grünen haben es versucht. 

Dabei ist der Zustand unserer Schulen das wichtigste Signal. Wir, die Älteren, wir kümmern uns um Euch. Wir, die Boomer, erinnern uns noch daran, dass Schule in den 1970ern und 1980ern in Europa, Afrika, Amerika, Asien der Ort des Aufstiegsversprechens schlechthin war. Etwa 720 Schülerinnen und Schüler in Weissensee können dies Versprechen wieder erleben. Es ist allerhöchste Zeit.