Anti-Doping-Agentur hält Entscheidung für „gefährlichen Präzedenzfall“
IOC-Präsident Thomas Bach hat Mitgefühl für Kamila Walijewa nach deren bitterem Olympia-Finale geäußert und das Umfeld mit der Trainerin der russischen Eiskunstläuferin scharf kritisiert. „Als ich gesehen habe, wie sie von ihrem Umfeld empfangen wurde, mit etwas, was mir wie eine enorme Kälte vorkam – mir lief es kalt über den Rücken, zu sehen, was da geschah“, berichtete Bach am Freitag.
„Statt sie zu trösten, statt ihr zu helfen, nachdem was geschehen war, konnte man spüren wie eiskalt die Atmosphäre war. Solch eine Distanz zu erleben, wenn man sich nur die Körpersprache dieser Person angeschaut hat, hat sich das nur noch in der Vorstellung verschlimmert.“
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Nach dem tagelangen Doping-Wirbel und einer Führung aus dem Kurzprogramm hatte Gold-Favoritin Kamila Walijewa am Donnerstagabend mehrere Fehler in ihrer Kür gemacht und war Vierte geworden. Von ihrer Trainerin Eteri Tutberidse erhielt die 15-Jährige daraufhin keinen Trost, sondern harsche und verstörende Worte.
Er sei „sehr enttäuscht und verstört“ gewesen, als er die Eiskunstlauf-Kür im Fernsehen verfolgt habe, berichtete Bach und sprach von einer „herablassenden Geste“. „Kann man denn so gefühlskalt sein gegenüber den eigenen Sportlern?“ Er habe sich seine Gedanken gemacht, sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees. „Alles das vermittelt bei mir kein besonderes Vertrauen in dieses Umfeld von Kamila – weder in Bezug auf die Situation, die in der Vergangenheit sich abgespielt hat, noch die Zukunft.“
Umgang mit 15-jährigen Athletinnen
Bach stellte die Frage, wie man mit minderjährigen Athleten im Alter von 15 Jahren zukünftig umgehen werde und sprach die Situation von Walijewa noch einmal konkret an. „Ich kann mir für sie nur wünschen, dass sie die Unterstützung bekommt, die Unterstützung ihrer Familie, die Unterstützung von Freunden und schlussendlich von Menschen, die ihr helfen, diese enorm schwierige Situation hinter sich zu lassen.“
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Ein positiver Dopingtest Walijewas vom 25. Dezember war erst während der Winterspiele in Peking bekannt geworden. Die Cas-Richter erlaubten ihr dennoch mit Blick auf ihren Status als Minderjährige und das nicht abgeschlossene Dopingverfahren einen Start im olympischen Damen-Einzel.
Für die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada ist die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs im Dopingfall Kamila Walijewa ein „gefährlicher Präzedenzfall“. Die Wada wirft den Sportrichtern vor, die „unmissverständlichen Bestimmungen“ des Wada-Kodex’ bei der Aufhebung einer vorläufigen Suspendierung ignoriert zu haben, hieß es in der Stellungnahme zu der am Freitag veröffentlichten Urteilsbegründung
Es sei „überraschend“ und für die Wada sehr „besorgniserregend“, dass ein Cas-Gremium es für angebracht hält, „von den klaren Bestimmungen des Codes abzuweichen“, hieß es in der Mitteilung. Schließlich habe der Code über einen Zeitraum von zwei Jahren drei Konsultationsphasen unter Einbeziehung aller Anti-Doping-Akteure durchlaufen. Im November 2019 sei er einstimmig angenommen worden. Die Wada hoffe und erwarte, dass der Cas-Entscheid von Peking „von künftigen Cas-Panels korrigiert wird“. (dpa)