Als das Abenteuer Hamburg Freezers vor 20 Jahren begann
Der Start war ein wenig absurd. Vor 20 Jahren trainierte das neue Eishockeyteam aus Hamburg zum ersten Mal, wenig später, am 16. August, spielte es sein erstes Spiel – in London, in einer Eishalle in den Docklands. Zum Debüt klappte wenig drumherum: Der Stadionsprecher, kündigte die Mannschaft als „Hamburg Freeze“ an, erst nach dem ersten Drittel wurde der Name auf dem Videowürfel in der Halle korrigiert: „Hamburg Freezers“ war nun dort zu lesen.
Die Reise des neuen Teams aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hatte begonnen und sie wurde zumindest beim Hamburger Publikum eine erfolgreiche. Finanziell und sportlich sollte das über die Jahre anders aussehen. Aber daran war im August 2002 noch nicht zu denken, denn der Klubeigner Philip Anschutz hatte große Pläne mit einem Team, das es erst seit wenigen Monaten gab: Der Unternehmer aus den USA hatte den Klub aus München nach Hamburg transferiert, aus den Barons wurden Freezers. Denn in Hamburg gab es eine vom Finnen Harry Harkimo errichtete Großarena für 13 000 Zuschauende – so eine Halle, wie Anschutz sie in München nicht hatte.
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Das Umpflanzen eines Klubs nach nordamerikanischen Muster war 2002, weit vor der Aufregung um einen Leipziger Retortenfußballklub, Neuland in Deutschland und brachte entsprechend Aufmerksamkeit. Anschutz reiste damals sogar nach London, um die Geburtsstunde seines Teams mitzuerleben. Es gab ein Turnier mit sechs Klubs – die damals allesamt zum Imperium der Anschutz Entertainment Group (AEG) gehörten. Unter den Teilnehmern waren auch die Eisbären aus Berlin.
Anschutz gab sich hemdsärmelig in London, mischte sogar einmal die Pressekonferenz auf. Erst bediente er sich am Pressebüffet, dann lümmelte er sich in der letzten Sitzreihe und stellte sogar eine Frage. Wer gab die Garantie, dass Hamburg zur Eishockeystadt wird? „Es gibt keine Garantien im Leben”, sagte Tim Leiweke, seinerzeit Präsident der Anschutz-Gruppe. Sichere Märkte gebe es nicht. „Aber Hamburg hat viele Vorteile.“ Eben für Sport zu begeisternde Menschen und viele potenzielle Sponsoren. Leiweke servierte seine Ausführungen mit geschäftstüchtigem Lächeln. Sollte heißen: was wir bei Anschutz anpacken, das hat Erfolg.
Hamburg war vor den Freezers Eishockey-Diaspora
Um den Klub herum und selbst im Team waren sie sich nicht so sicher ob der Erfolgsaussichten des Projektes. Hamburg war Eishockey-Diaspora, es hatte viele Pleiten bei vielen Versuchen geben, ein Team in den oberen Ligen zu etablieren. Selbst die Eishockeyabteilung des HSV hatte sich in den Achtzigerjahren in der Zweiten Liga versucht. Zur Geburtsstunde der Freezers fristeten die Hamburg Crocodiles ihr Dasein in der alten Eishalle im Stadtteil Farmsen. Selbst die Spieler des neuen Hamburger Teams waren sich nicht so sicher mit den Freezers. So sagte Angreifer Thomas Sjörgen, der zuvor auch bei den Eisbären gespielt hatte, auf die Frage, ob denn im Hamburg auch Zuschauer zu den Spielen kommen würden: „Weiß ich nicht, ich kenne die Stadt nicht. Außerdem hätte ich lieber in Berlin bei den Eisbären gespielt.“
Als Sjögren diese Sätze am Rande des Turniers von London sagte, da hatte sich in Hamburg längst der erste Fanklub der Freezers gegründet. Die Vorfreude war offensichtlich vorhanden, der damalige Regierende Bürgermeister Ole von Beust empfing Trainer Sean Simpson im Rathaus und freute sich öffentlich darüber, dass Hamburg nun endlich eine Mannschaft „in der DSL“ habe. Und auf der Internetseite der Freezers wurde mitgeteilt, dass „die Anstoßzeiten“ für die Heimspiele noch nicht feststünden.
Denn bis es zum ersten Bully in der DEL-Saison 2002/2003 kam, sollte es noch dauern. Die Freezers begannen mit einer Serie von Auswärtsspielen, erst am 12. November 2002 war die Arena im Volkspark bezugsfertig. 13.000 Menschen sahen einen knappen Erfolg gegen die Kölner Haie. Zuvor hatte der Klub in der Stadt großflächig den Werbeslogan „Welcome on Planet Ice“ plakatiert. Das erste Spiel war eine große Party, auf dem Videowürfel tobte Godzilla zu „We will rock you“, auf den Rängen tobte die Welle. „Das war ein guter und vielversprechender Anfang“, sagte Detlef Kornett, damals Chef der europäischen Teil der AEG.
Die nächsten Jahre waren auch ganz ordentlich – was die Akzeptanz beim Hamburger Publikum betraf, auch wenn der Zuschauerschnitt dann später meist nicht mehr so hoch wie in der Premierensaison (über 10.000) war. Aber sportlich und finanziell erfüllten die Freezers eben nie die Vorstellungen ihres Eigners. Nur zwei Mal kamen sie ins DEL-Halbfinale (2004 und 2014), in den Play-offs war gegen den anderen Anschutz-Klub, die Eisbären, immer Endstation für die Freezers. Nachdem sich kein Käufer für den Klub fand, wurde er im Jahr 2006 nach 14 Jahren tatsächlich abgewickelt und verschwand so schnell, wie er einst aufgetaucht war.
Thomas Bothstede war lange bei den Freezers beschäftigt, zuletzt als „Vice President Business Operations“ und am Ende mit der Abwicklung des Klubs beschäftigt, dessen letzter Manager Stéphane Richer und Trainer Serge Aubin nun heute wie er in Berlin sind. Der heutige Geschäftsführer der Eisbären Berlin sagt: „Es war schon so, dass wir bei den Freezers sportlich und strukturell hinter den Eisbären herliefen und mehr so das gallische Dorf waren.“
Traurig sei das mit Ableben der Freezers trotzdem, sagt Bothstede. „Die waren gerade dabei, sich neu zu erfinden.“ Ein gut angelaufenes Nachwuchsprogramm schlief nach dem Ableben der Profiabteilung ein. In der Trainingshalle neben der Arena gibt es heute nur noch Hobbyeishockey, die Crocodiles spielen weiter in Farmsen, in der Drittklassigkeit. Um mit Heidi Kabel zu sprechen: „In Hamburg sagt man Tschüss, das heißt auf Wiedersehen.“ Der Schlager wurde bei den Freezers immer gespielt, wenn ein Gästespieler auf die Strafbank musste. Mit dem Wiedersehen dauert es aber wohl noch unbestimmte Zeit: Eishockey spielt in Hamburg, 20 Jahre nach dem ersten Siel der Freezers in London – sie verloren es übrigens 1:2 nach Penaltyschießen gegen Servette Genf – keine große Rolle mehr.