Preußen-Stiftung gibt alle Benin-Bronzen an Nigeria zurück
Nun aber wirklich. Die Verträge sind unterschrieben. Am heutigen Donnerstag unterzeichneten der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Hermann Parzinger und Abba Isa Tijani, Generaldirektor der National Commission for Museums and Monuments (NCMM) in Nigeria, den Vertrag zur Rückgabe der Benin-Bronzen an das westafrikanische Land. Damit prescht Berlin voraus.
Im Juli hatten Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sowie ihre nigerianischen Amtskollegen Zubairo Dada und Lai Mohammed eine Absichtserklärung zur Rückgabe aller in Deutschland befindlichen Benin-Bronzen unterzeichnet.
In den nächsten Monaten sollen weitere Rückgabevereinbarungen folgen, kündigte die Kulturstaatsministerin an. Über die umfangreichsten Konvolute verfügen neben der SPK das Stuttgarter Linden-Museum, das Museum am Rothenbaum in Hamburg, das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln sowie das Völkerkundemuseum Dresden und Leipzig. Etliche andere Häuser in der Bundesrepublik besitzen einzelne Objekte.
Symbolisch waren im Juli im Auswärtigen Amt bereits zwei Bronzen – ein Gedenkkopf und eine Reliefplatte – an Nigerias Kulturminister Lai Mohammed und den Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, übergeben worden. Noch befänden sich die Werke in Berlin, so Hermann Parzinger beim Pressetermin im Anschluss an die Vertragsunterzeichnung am Donnerstag.
Berlin ist international Vorreiter
Man habe sich eine feierliche Zeremonie für den „großen Schritt“ der Restitution gewünscht, sagt der Chef der Preußen-Stiftung, allerdings sei das nur in Anwesenheit der nigerianischen Seite möglich und das ließ sich aktuell nicht realisieren. Unterzeichnet wurde also digital.
Eile scheint auch deshalb geboten, weil am 17. September die Ostspange im Humboldt Forum eröffnet, für die eine Präsentation der Benin-Bronzen als Highlight geplant ist. Sie wurde in den vergangenen sechs Monaten völlig neu konzipiert.
Geraubte Kunst im Schloss ausstellen, das wollte niemand mehr. Darum ging es mit der lange hinausgezögerten Rückgabe, jetzt, auf den letzten Metern doch noch sehr schnell.
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Berlin setzt damit international Maßstäbe. Deutschland ist eines der ersten Länder, das Benin-Kunst an Nigeria zurückgibt. Bisher haben nur die USA und zwei britische Universitätsmuseen Raubkunst aus dem ehemaligen Königreich Benin restituiert.
168 Objekte bleiben als Leihgaben in Berlin
Vor 125 Jahren waren die Bronzen von britischen Kolonialisten im Rahmen einer Strafexpedition geraubt, nach Großbritannien gebracht und dann an Museen in Europa und den USA verkauft worden. So kamen sie auch nach Berlin.
514 Objekte, etwa Tierstatuen, Figurengruppen und Reliefs aus Bronze, Elfenbein und Holz aus dem ehemaligen Königreich Benin befinden sich im Bestand der Ethnologischen Museen Berlin, zwei weitere im Museum Berggruen. 168 Objekte, rund ein Drittel des Bestandes, sollen mit Zustimmung der nigerianischen Seite als Leihgaben in Berlin verbleiben, um weiterhin ausgestellt zu werden. Der Leihvertrag läuft zunächst über zehn Jahre und soll dann neu verhandelt werden.
Leihgebühren fallen nicht an. Die Bundesrepublik werde allerdings für den Transport der zurückgegebenen Werke nach Nigeria aufkommen, so Parzinger.
Ursprünglich sollten ab September rund 230 Benin-Bronzen im Humboldt Forum ausgestellt werden. Davon hatten sich der Leiter des Ethnologischen Museums Lars-Christian Koch und die Kurator:innen unter dem Druck der öffentlichen Debatte und angesichts der Rückgabeforderungen von nigerianischer Seite bereits vor der Unterzeichnung verabschiedet.
Die Ausstellung, die ab 17. September im Humboldt Forum zu sehen sein wird, wird nun wesentlich kleiner ausfallen. 40 Benin-Bronzen sollen in zwei Sälen ausgestellt werden, ergänzt um eine „Videowand“ mit Informationen zur Restitutionsgeschichte, umrahmt von zeitgenössischen Werken aus Nigeria, die mit traditionellen Bronze-Techniken arbeiten.
Das sei auch ein Wunsch der nigerianischen Seite, sagte Kerstin Pinther, Kuratorin für moderne und zeitgenössische Kunst im globalen Kontext am Donnerstag. Man wolle mit dem Blick auf die nigerianische Kunst aus den 1950er und 1960er Jahren auch den eurozentrischen Blick auf die historischen Werke aufbrechen, der diese als wichtiger ansieht als die Kunst des 20. Jahrhunderts.
Das British Museum in London, das ebenfalls ein riesiges Konvolut an Benin-Bronzen besitzt, weigerte sich bis dato, eine Restitution der Werke in Betracht zu ziehen. In London wird man sich verhalten müssen, ist Hermann Parzinger jetzt überzeugt, am Tag der „Eigentumsrückübertragung“, wie der Stiftungspräsident es nennt.