Alba Berlin feiert und hat Hunger nach mehr
Jaleen Smith hatte eine sehr aufmerksame Leistung gezeigt und Verantwortung übernommen, in den entscheidenden Momenten war er hellwach gewesen, doch einmal ließ er sich am frühen Sonntagabend übertölpeln. Der 27 Jahre alte Guard von Alba Berlin stand in den Katakomben der Arena am Ostbahnhof, sprach über das nervenaufreibende Finale und sah Bogdan Radosavljevic nicht kommen. Der frühere Alba-Profi schlich sich von hinten an, griff beherzt zu und schnappte sich den Pokal. Lachend deutete der Center der Merlins Crailsheim die Flucht an, Smith lachte ebenfalls – holte sich den Pott aber schnell zurück. „Das ist mein erster Titel als Profi und ich fühle mich, als wäre ich auf dem Gipfel der Welt“, sagte Smith strahlend.
Die Freude bei Alba Berlin über den elften Pokalsieg der Vereinsgeschichte – so viele hat keine andere deutsche Mannschaft – kannte am Sonntagabend keine Grenzen. Auf dem Spielfeld, am Fuße des Fanblocks, an der mobilen Zapfanlage in der Kabine und bei der spontanen Party danach feierten die Berliner ausgelassen. Zwar nicht ganz so hautnah wie vor zwei Jahren, kurz vor Beginn der Pandemie, doch sehr stimmungsvoll. „Die Alba-Fans sind verrückt“, sagte Smith nach seinem ersten Highlight mit den Berlinern.
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Gegen die starken Crailsheimer um den überragenden Point Guard T.J. Shorts hatte Smith wie schon zuvor im Halbfinale gegen Chemnitz eine sehr gute Leistung gezeigt. Alba wankte, Alba zitterte, doch Alba fiel nicht. „Wir haben vielleicht gedacht, das wird ein Selbstläufer“, sagte Johannes Thiemann selbstkritisch. Doch mit zunehmender Spieldauer kämpften sich die Berliner nach 16 Punkten Rückstand im zweiten Viertel zurück. „Selbst wenn Spieler fehlen, können wir das ausgleichen und wir haben auch genug Erfahrung, um in der Schlussphase ruhig zu bleiben“, sagte der starke Oscar da Silva, der ebenfalls seinen ersten Titel als Profi feiern durfte.
Maodo Lo gewann bereits seine fünfte nationale Trophäe und wurde am Sonntag als wertvollster Spieler der Pokalendrunde ausgezeichnet. Diesen individuellen Titel wollte er aber nicht überbewerten. „Ich weiß, dass das so ein Klischeesatz ist, aber das bedeutet mir ganz ehrlich nicht so viel“, sagte der Berliner Spielmacher, der in Halbfinale und Endspiel mit 19 beziehungsweise 20 Punkten jeweils Albas bester Werfer war. Smith hätte die Auszeichnung ebenfalls, „vielleicht sogar mehr verdient gehabt“, sagte Lo, und stellte das Team in den Mittelpunkt.
Das tat auch Israel Gonzalez, der sich nach seinem ersten Titel als Cheftrainer der Bierdusche in der Kabine nicht entziehen konnte. Ganz im Sinne seines Lehrmeisters Aito Garcia Reneses sprach der Spanier schon kurz nach der Pokalübergabe wieder von den kommenden Aufgaben in dieser intensiven Saison und weiteren Entwicklungsschritten seiner Mannschaft.
Damit war er nicht der Einzige. Nach dem vierten Titel innerhalb von zwei Jahren haben die Berliner eine solche Mentalität entwickelt – eine winning culture, wie man im anglophonen Basketballsprech sagen würde –, dass der Blick stets auch nach vorne geht. „Es ist immer gut, schon so früh in der Saison einen Titel geholt zu haben. Das gibt unglaublich viel Kraft für die kommenden Aufgaben“, sagte Thiemann, und Smith wurde noch deutlicher: „Ich bin hungrig und will so viel wie möglich mit Alba gewinnen.“
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Die Voraussetzungen dafür sind hervorragend. In den vergangenen vier Jahren standen die Berliner in allen neun nationalen Finals und diese Beständigkeit ist für Marco Baldi vielleicht sogar wichtiger als die Titel. „Ich bin kein großer Statistiker“, sagte Albas Manager, nachdem sich sein Klub zum alleinigen Rekordpokalsieger gekrönt hatte. „Aber unser Ziel war es immer, ein Spitzenteam zu sein, und das auch zu bleiben.“ Diese Konstanz gebe es nur selten, sei jedoch Albas Anspruch. „Wir bieten sportliche Exzellenz und die Titel unterstreichen das.“
Damit dem Pokalsieg im Sommer auch die dritte Meisterschaft in Serie folgt, will Alba die kontinuierliche Entwicklung dieser Saison fortsetzen. Neuzugänge wie Smith, Tamir Blatt und Yovel Zoosman finden sich immer besser zurecht und in den vergangenen Wochen schlug sich das trotz einiger Verletzungen auch in den Ergebnissen nieder. „Wir haben ohne Schlüsselspieler großartig gespielt und wenn die zurückkommen, werden wir noch besser“, sagte Smith.
Doch bevor es im Sommer um den nächsten Titel geht, stehen noch viele Aufgaben in Euroleague und Bundesliga an. Bis zum nächsten Auswärtsspiel in Villeurbanne am Donnerstag heißt es aber erst mal: genießen, abschalten, regenerieren.