Hacke, Krücke, Tor
Was in Düsseldorf, Braunschweig und Hoffenheim längst etabliert ist, soll nun auch in Hamburg und Berlin möglich werden: Amputierten-Fußball im organisierten Vereinssport spielen. Beim Hamburger SV und in Berlin bei Tennis Borussia entstehen Standorte zum Aufbau eigenständiger Teams. Fußballer:innen mit Amputation oder angeborener Fehlstellung von Gliedmaßen wie Arme, Hände, Beine oder Füße (Dysmelie) sollen die Chance erhalten, ihre sportliche Leidenschaft ausleben zu können.
Gespielt wird im Format 7 gegen 7 (6 Feldspieler, 1 Torwart) auf dem Kleinfeld (60 x 40 m) mit Krücken statt mit Arm- oder Beinprothesen. Torhüter:innen müssen ein Handicap an Arm oder Bein aufweisen. Die Spielzeit beträgt 2 x 25 Minuten mit einer zehnminütigen Pause. Die Tore sind etwas kleiner als normal, das Spiel wird von zwei Schiedsrichter:innen geleitet.
In Deutschland wurde Amputierten-Fußball zuerst in Rheinland-Pfalz gespielt.1994/95 gründeten Sitzballspieler eine Mannschaft, die sich aber nach nur einem Jahr wieder auflöste. 2008 gelang es mit Unterstützung der Sepp-Herberger-Stiftung vom DFB, amputierte Menschen für diese Sportart zu begeistern und Teams aufzubauen. Nach den Standorten Düsseldorf, Braunschweig und Hoffenheim soll nun auch in Berlin und Hamburg die Entwicklung vorangebracht werden.
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Zur Seite stehen dem Projekt der Hamburger Fußball-Verband und der Berliner Fußball-Verband im Rahmen der Inklusionsinitiative der Herberger-Stiftung. Hilfe beim Aufbau der Standorte leistet die gemeinnützige Organisation Anpfiff ins Leben. Noch in diesem Jahr soll der Ligabetrieb starten, zunächst in der Spielgemeinschaft Nord im Dreieck Braunschweig – Hamburg – Berlin, bis TeBe und der HSV genügend Spieler:innen für eigenständige Team haben.
Angefangen hat alles Anfang der 80er-Jahre in den USA, als der beinamputierte Don Bennett, gestützt auf seine Gehhilfen, zum Auto ging. Plötzlich kam aus einer Gruppe spielender Jugendlicher ein Basketball auf ihn zugerollt, den er reflexartig mit seinem Fuß zurückkickte. Da begriff er, dass er trotz seiner Behinderung Fußball spielen konnte. Er überzeugte und begeisterte andere Amputierte von seiner Idee und gründete in Seattle eine erste Mannschaft. Einige Jahre später erkannte der erfahrene Fußballtrainer Bill Barry das Potenzial des Amputierten-Fußballs. Er engagierte sich, und es gelang ihm, die neue Sportart international zu etablieren.
1991 fand in Usbekistan die erste inoffizielle WM statt. Inzwischen wird Amputierten-Fußball in über 50 Ländern weltweit gespielt. In der Türkei gibt es eine Amputierten-Profiliga mit Fernsehberichterstattung. Im Gazastreifen, wo viele Menschen im Konflikt mit Israel Arme oder Beine verloren haben, spielen junge Palästinenser in ihrer eigenen Liga.
In Deutschland soll es nun coronabedingt im Spätsommer losgehen mit einer verkürzten Saison. Auch der für vergangenen Sonnabend angesetzte „offene Trainingstag für alle“ bei Tennis Borussia musste verschoben werden, der neue Termin ist noch offen. Mitmachen kann jeder gleich welchen Geschlechts ab 14 Jahre, auch wer sich nicht binden, sondern nur ein wenig kicken möchte. Wer interessiert ist, bei Tennis Borussia Amputierten-Fußball zu spielen, kann sich melden unter der Mailadresse amputierte@tebe.de.