1. FC Union kann in Wolfsburg nicht für Europa punkten
Das Spiel hatte um 15.07 Uhr noch nicht einmal begonnen, als der Tag für den 1. FC Union in eine unglückliche Richtung abdriftete. Die Mannschaft machte sich gerade auf dem Rasen der Wolfsburger Arena warm, als Robert Andrich gemächlich zur Seitenlinie schritt, zu Urs Fischer ging und dann in den Katakomben verschwand. Für eine spontane Toilettenpause ließ sich der Berliner Mittelfeldspieler so kurz vor Anpfiff zu viel Zeit, und wenige Minuten später kam die Bestätigung. Andrich hatte sich unter der Woche im Training eine Blessur am Nagel des großen Zehs zugezogen und da die Schmerzen beim Belastungstest vor Anpfiff zu groß waren, wurde er in der Startaufstellung durch Sebastian Griesbeck ersetzt. Ende der ersten Halbzeit verletzte sich dann auch noch Marcus Ingvartsen am Sprunggelenk und schraubte die Anzahl der Verletzten bei Union auf zehn.
Zu diesem Zeitpunkt sah es im Spiel beim VfL Wolfsburg bereits nicht gut aus, und das änderte sich auch nach der Pause nicht mehr. So musste sich der Berliner Fußball-Bundesligist am Samstag beim Champions-League-Aspiranten durch drei Treffer von Josip Brekalo mit 0:3 (0:1) geschlagen geben. „Das war eine verdiente Niederlage“, sagte Fischer. „Wenn wir uns nicht am Limit bewegen, wird es schwierig zu punkten.“ In der Tabelle bleibt Union trotz der Niederlage auf Rang acht, die Chancen auf die Europapokalteilnahme sind zwei Spiele vor Saisonende aber etwas kleiner geworden.
Urs Fischer hatte sich in der Pressekonferenz vor dem Spiel schon ungewohnt offen über die Startelfchancen der beiden Stürmer Joel Pohjanpalo und Petar Musa geäußert. Das hatte vor allem mit den leichten muskulären Problemen von Max Kruse zu tun, und Unions bester Fußballer nahm dann auch auf der Bank Platz. Außerdem spielte Christopher Trimmel für Julian Ryerson und Griesbeck kurzfristig für Andrich. Sonst vertraute Unions Trainer der Mannschaft, die vor zwei Wochen Bremen mit 3:1 besiegt hatte.
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Ob es am Ausfall von Mittelfeldanker Andrich lag, wird sich nie nachweisen lassen, aber besonders in der Anfangsphase offenbarte Union enorme Probleme. Die Berliner bekamen kaum Zugriff auf das Spiel, standen tief und liefen nur hinterher. Der VfL hatte das Geschehen unter Kontrolle. Die Niedersachsen waren von Trainer Oliver Glasner taktisch hervorragend eingestellt und nutzten die Anfälligkeiten einer Dreierkette geschickt aus. Besonders Brekalo und Maximilian Philipp bewegten sich so clever zwischen den Linien, dass die Berliner nur schwer in die Zweikämpfe kamen.
Die beiden Offensivspieler waren dann auch maßgeblich am frühen Wolfsburger Führungstreffer beteiligt. Einen Pass aus dem Mittelfeld verlängerte Philipp direkt auf die rechte Seite zu Ridle Baku. Der Nationalspieler passte flach in den Rückraum, Unions Nico Schlotterbeck rutschte der Ball unglücklich durch die Beine und Brekalo zog, ohne zu zögern, ab. Sein Schuss war hart, platziert und schlug unhaltbar für Andreas Luthe im rechten Torwinkel ein.
Nach einer Viertelstunde wies die Statistik 79 Prozent Ballbesitz für die Wolfsburger aus, und auch in allen anderen wichtigen Kategorien waren sie Union überlegen. „Wir hatten keinen Zugriff und das ist ziemlich untypisch für uns“, sagte der ehemalige Wolfsburger Christian Gentner. So war die Führung absolut verdient, und auch wenn die Berliner Mitte der ersten Hälfte etwas besser ins Spiel fanden, hätte sie bis zur Pause durchaus noch höher ausfallen können.
Weghorst schoss aus guter Position über das Tor und verschluderte eine weitere Chance durch zu viel Eigensinn. Die beste Möglichkeit hatte allerdings Philipp, gebürtiger Berliner und bester Freund von Unions Christopher Lenz. Nach einer Flanke von Brekalo schoss er aus sechs Metern nahezu unbedrängt zentral auf Luthe. Union hatte offensiv nur eine nennenswerte Aktion, Pohjanpalo verfehlte das Tor aus der Drehung aber um wenige Zentimeter.
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In der Pause wechselte Fischer verletzungsbedingt Keita Endo für Ingvartsen ein, Wolfsburg blieb aber die spielbestimmende Mannschaft. Den Niedersachsen war anzumerken, dass sie den Angriff der vor einigen Wochen noch abgeschlagenen Dortmundern auf die Champions-League-Plätze unbedingt abwehren wollten. Baku hatte eine weitere gute Chance, Maximilian Arnold streifte mit einem gefährlichen Freistoß nur den oberen Teil des Tornetzes. Doch solch eine knappe Führung ist immer gefährlich. Auch wenn von Union nicht allzu viel kam, traf Pohjanpalo bei einem Konter den Pfosten, stand zuvor aber im Abseits. Musa vergab eine gute Chance mit einem schwachen Abschluss.
Das zweite Tor von Brekalo, unglücklich abgefälscht von Gentner, sorgte für mehr Sicherheit bei den Niedersachsen. Sie zogen sich nun zurück und überließen Union den Ball. Vor dem Stadion feuerten etwa 100 mitgereiste Berliner Fans die Mannschaft an. „Wir sind vor dem Spiel mit Motorrädern vom Hotel zum Stadion begleitet worden – also in dem Rahmen, der erlaubt ist“, sagte Manager Oliver Ruhnert. Doch die lautstarke Unterstützung hatte ebenso wenig Erfolg wie vier weitere Wechsel Fischers. In der 90. Minute setzte Brekalo mit seinem dritten Tor den Schlusspunkt.