Zum 100. Todestag von Lovis Corinth: Schicksalswege einer Sammlung
Blut läuft die nackten Arme von Jesus herunter, der seine gefesselten Hände dem Betrachter entgegenstreckt. Auch unter der Dornenkrone quillt es hervor. Seine rote Toga nimmt die Farbe des Blutes dramatisch auf, Lovis Corinths „Ecce Homo“ von 1925 ist ein Leidensbild schlechthin. Es sollte das letzte Historienbild des Künstlers bleiben, der ein Jahr später überraschend auf einer Reise in den Niederlanden an einer Lungenentzündung verstarb.
Für die Nationalgalerie war es ein Coup, 1929 das monumentale Werk von der Witwe Charlotte Berend-Corinth erwerben zu können. Zahlreiche Bilder des wichtigsten Vertreters des deutschen Impressionismus befanden sich bereits im Bestand. Mit Max Liebermann und Max Slevogt gehörte er zu den Heroen der Sammlung.
Lange blieb das Gemälde nicht. 1937 wurde „Ecce Homo“ von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und wenig später in der Feme-Schau „Entartete Kunst“ in München gezeigt, ein Pranger der anderen Art. Nach Berlin kehrte es nie mehr zurück. Stattdessen wurde das Bild in Luzern versteigert, um dem Deutschen Reich Devisen einzutragen. Gelohnt hat es sich nicht, die Bieter hielten sich gezielt zurück.

© Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie Fotograf: Andres Kilger
Neben Dieter Scholz und Andreas Schalhorn vom Kupferstichkabinett für die Grafik gehört deshalb Provenienzforscher Sven Haase zum Team. Herausgekommen ist eine Ausstellung in fünf Kapiteln, welche die kurvenreichen Wege der Werke nachvollziehen – herein und heraus aus dem Bestand, ebenso nach Teilung und Wiedervereinigung der Sammlungen in Ost- und West-Berlin.