Europäischer Filmpreis 2024: Deutsche Oscar-Hoffnung im Rennen
Zu den hartnäckigen und keineswegs falschen Vorurteilen über den deutschen Film gehört, dass zu seinen größten Stärken die Schauspielerinnen und Schauspieler gehören. Charakterdarsteller, Menschen mit Aura und Ausstrahlung, nicht selten kommen sie aus dem Theater. Deutschlands reiche Bühnenlandschaft spiegelt sich nicht zuletzt in den Filmcasts wider.
Jedenfalls ist es kein Wunder, dass sich bei den am Dienstagmittag bekanntgegebenen Nominierungen für den Europäischen Filmpreis in der Königsdisziplin „Bester Film“ zwar kein originär deutscher Stoff findet, bei den Darsteller:innen aber gleich zwei hiesige Stars ins Rennen gehen. Lars Eidinger ist für seine Rolle als Dirigent Tom in Matthias Glasners Familiendrama „Sterben“ nominiert, Franz Rogowski für das britische Coming-of-Age-Drama „Bird“. Ob sie gegen ihre Mitbewerber Daniel Craig („Queer“), Ralph Fiennes („Konklave“) oder Abou Sangare („Souleymane’s Story“) eine Chance haben?
Als Koproduktionspartner ist Deutschland aber auch bei den Anwärtern für den Besten Film vertreten, mit dem Drama „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ des im Mai nach Deutschland geflohenen Iraners Mohammad Rasoulof. Rasoulof ist auch für die Regie und das Drehbuch nominiert.
Das Familiendrama um einen Teheraner Ermittlungsrichter, der in Eilverfahren Todesurteile unterzeichnen muss, und seine beiden Töchter, die mit den „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten auf Teherans Straßen sympathisieren, geht für Deutschland auch ins Oscar-Rennen und kommt am 26. Dezember in die Kinos.
Insgesamt konkurrieren 15 Titel um den Hauptpreis, bei dem erstmals in der Geschichte des Europäischen Filmpreises auch die je fünf in eigenen Kategorien vorausgewählten Dokumentar- und Animationsfilme antreten. Zu den Kandidaten, über welche die rund 5000 Mitglieder der European Film Academy abstimmen, gehören Pedro Almodóvars Venedig-Sieger „The Room Next Door“, Coralie Fargeats feministischer Body-Horrorfilm „The Substance“ mit Demi Moore und Jacques Audiards Musical „Emilia Pérez“ über einen mexikanischen Kartellboss, der sein Geschlecht angleichen lässt. Einen klaren Favoriten gibt es nicht, mit je vier Nennungen wird die Liste von „The Room Next Door“ und „Emilia Pérez“ angeführt.
Als Dokumentarfilme sind Mati Diops Berlinale-Gewinner „Dahomey“ und die Westjordan-Doku „No Other Land“ dabei. Im Anschluss an deren Berlinale-Auszeichnung als bester Dokumentarfilm gab es Antisemitismusvorwürfe gegen Mitwirkende und Ausrichter der Bären-Gala.
Wim Wenders erhält Auszeichnung fürs Lebenswerk
Erfreuliches Phänomen: Nachdem im Vorjahr Justine Triets „Anatomie eines Falls“ mit Sandra Hüller gewonnen hatte, stammen diesmal gleich sieben der 15 „Bester Film“-Kandidaten von Regisseurinnen. Bei den fünf Regie-Nominierungen sind mit Mati Diop und Maura Delpero („Vermiglio“) zwei Frauen vertreten. Bereits zuvor hatte die European Film Academy bekanntgegeben, dass die Schauspielerin Isabella Rossellini für ihre Verdienste um den europäischen Film geehrt wird und der Preis fürs Lebenswerk an Wim Wenders geht. Der deutsche Regisseur gehört zu den Gründungsvätern des Filmpreises, der nun zum 37. Mal verliehen wird, am 7. Dezember im schweizerischen Luzern.
Und die Schauspielerinnen? Nominiert sind Tilda Swinton („The Room Next Door“), Renate Reinsve („Elternabend“), Karla Sofía Gascón („Emilia Pérez“) sowie Trine Dyrholm und Vic Carmen Sonne („The Girl with the Needle“). Auch das eine starke Riege. chp (mit dpa)