Die Longlist für den Booker Prize ist da: Was in der Zukunft auf dem Spiel steht
Während die Verkündung der Longlist des Deutschen Buchpreises noch ein bisschen dauert (20. August), hat in London die fünfköpfige Jury des Booker Prize am Dienstagabend schon ihre Longlist bekannt gegeben. Der Booker Prize, der nicht verwechselt werden darf mit dem International Booker Prize, den im Mai die Berliner Schriftstellerin Jenny Erpenbeck gewann, ist der renommierteste Literaturpreis im angloamerikanischen Sprachraum.
War er nach seiner Gründung 1969 ein Preis, der sich auf den Commonwealth konzentrierte, dürfen seit 2014 Bücher von Autoren und Autorinnen aller Nationalitäten eingereicht werden. Einzige Voraussetzung: Sie müssen in englischer Sprache verfasst und in Großbritannien oder Irland veröffentlicht worden sein.
13 Titel stehen auf der Liste
13 Titel umfasst die Booker-Prize-Longlist. Fast die Hälfte davon stammt aus den USA, allen voran Percival Everetts Roman „James“, der Mark Twains „Huckleberry Finn“ aus der Perspektive des Sklaven Jim erzählt. „James“ ist trotz seiner ganzen Zeitgemäßheit auch ein Abenteuerroman und vor allem ein sprachliches Kunstwerk. James lässt die Sklaven ein eigenes Idiom mit den Weißen sprechen, zumindest wenn sie nicht unter sich sind. Sein Roman verbinde die „Vergangenheit mit der Hoffnung auf eine fortschrittliche Zukunft“, so die Jury, und sei eine „literarische Sensation“.
Das klingt danach, als sei Everett haushoher Favorit. Doch Jurys und solche Preisverleihungen haben ihre eigenen Gesetze. Und die Konkurrenz kann sich sehen lassen: Richard Powers ist mit seinem neuen, im September erscheinenden Roman „Playground“ dabei. Der ist in Teilen auf der Insel Makatea in Französisch-Polynesien angesiedelt. Hier planen die Insulaner, schwimmende Städte auf das offene Meer zu schicken. Ein typischer Powers also, der Mensch und Natur auf Konfrontationskurs schickt. Schon mit seinem letzten Roman „Vergeltung“ stand Powers 2021 auf der Shortlist des Booker Prize; auch für den National Book Award wurde er nominiert.
Auch Hishan Matar ist dabei
Im höchsten Maß interessant und außergewöhnlich dürfte der zweite Roman des 1982 in Oakland geborenen Schriftstellers Tommy Orange sein. Orange ist Mitglied des Stammes der Cheyenne und Arapaho und erzählt in „Wandering Stars“, wie sich Vertreibung, Traumata und Sucht durch die Biografien seines Volkes ziehen. Er verknüpft in dem Roman die Schicksale zweier Jungen, von Ende des 19. Jahrhunderts an bis in die Gegenwart. Mitte August erscheint Oranges Roman auf Deutsch unter dem Titel „Verlorene Sterne“.
Auch schon mehrfach ins Deutsche übersetzt wurde der britische Autor Hishan Matar, ihn nominierte die Jury mit seinem Roman „My Friends“. Dieser handelt von drei Freunden im politischen Exil und basiert auf einer realen Begebenheit, als bewaffnete Männer auf Demonstranten vor der libyschen Botschaft in London schossen.
Roman über acht Boxerinnen
Die weiteren nominierten Bücher sind: „White Houses“ von Colin Barrett, „Held“ von Anne Michaelis, „Orbital“ von Samantha Harvey, „Stone Yard Devotional“ von Charlotte Wood, „The Safekeep“ von Yael van der Wouden, der ersten niederländischen Autorin, die nominiert wurde, „Enlightenment“ von Sarah Perry, „Creation Lake“ von der mit Romanen wie „Flammenwerfer“ und „Telex aus Kuba ebenfalls in Deutschland bekannten Rachel Kushner, „This Strange Eventful History“ von Claire Messud und zu guter Letzt „Headshot“ von Rita Bullwinkel, ein Roman über acht junge Boxerinnen, der hierzulande vor ein paar Tagen auch im Aufbau Verlag erschienen ist.
Wie sagt es der Booker-Prize-Juryvorsitzende, der 1964 in London geborene Künstler und Schriftsteller Edmund de Waal: „Es sind keine Bücher über Themen, über bestimmte Stoffe, sondern solche, die sich mit Ideen auseinandersetzen und uns motivieren, uns für Menschen und ihre Probleme zu interessieren, für ihre Einzigartigkeit in einer Welt, die gleichgültig oder feindselig sein kann.“ Am 16. September wird die aus fünf Titeln bestehende Shortlist verkündet, am 12. November der Gewinner oder die Gewinnerin des mit 50.000 Pfund dotierten Preises.