Spurt im Gesetzesmarathon: Klappt es mit der Reform der Filmförderung?
Vielleicht erweist es sich im Nachhinein doch als glückliche Fügung, dass das neue Gesetz zur Reform der deutschen Filmförderung immer wieder aufgeschoben worden ist. Seit ihrer Ankündigung eines Acht-Punkte-Plans auf der Berlinale 2023 fiel in den Reden von Kulturstaatsministerin Claudia Roth oft der Titel „Im Westen nichts Neues“: Edward Bergers Netflix-Produktion, der größte internationale Erfolg des deutschen Kinos, ausgezeichnet mit vier Oscars.
Er versinnbildlichte, was in der deutschen Produktionslandschaft im Argen liegt. Ohne die Finanzierung des US-Streamingdienstes, der bis heute nur sehr geringe Abgaben in die Filmförderanstalt zahlt, wäre ein solcher Erfolg nie entstanden; und da auch die steuerlichen Anreize fehlten, wanderte die Produktion nach Tschechien ab.
Wirtschaftlich benötigt der Filmstandort Deutschland wieder mehr solcher Anreize, um internationale Produktionen anzulocken; die Studios Babelsberg und Bavaria stecken nicht nur aufgrund der Pandemie in einer Krise.
Die unabhängigen Produzenten und Autorenfilmer hingegen sind auf einen (finanziellen) Vertrauensvorschuss angewiesen – und das gar nicht mal in der Dimension von „Im Westen nichts Neues“, angeblich 20 Millionen Dollar –, damit sie nicht für jede Nachfolgeproduktion den Marathon durch den deutschen Förderdschungel antreten müssen.
Der Entwurf entspricht dem Acht-Punkte-Plan von vor einem Jahr
Das Bewusstsein für die Dringlichkeit einer modernen Filmförderung, wie sie in Kinonationen wie Frankreich, Spanien oder auch Österreich bereits existiert, war bei allen Beteiligten auch ohne den Erfolg von Bergers Film ausgeprägt.
Die Reform hätte schon unter Roths Vorgängerin Monika Grütters in die Tat umgesetzt werden sollen. Aber Roth verfügt mit „Im Westen nichts Neues“ über ein Exempel, das auch jene Kritiker staatlicher Subventionen verstummen ließ, die immer nur auf „wirtschaftliche Effekte“ schielen. Und weniger auf das künstlerische Renommee des deutschen Films. Planungssicherheit, schob Björn Böhning, Chef der Produzentenallianz, zu Beginn der Woche noch nach, sei entscheidend für die Zukunft des deutschen Films.
Den Gesetzesentwurf, den Claudia Roth am Dienstagvormittag vorlegte, deckt sich über weite Strecken mit ihrer Ankündigung von vor einem Jahr – sowie den Vorschlägen, den die acht größten Filmverbände, darunter die Vertreter der Produzenten, der Kinobetreiber und der Filmverleiher, zu Jahresbeginn vorgelegt hatten. So viel Einigkeit herrscht selten in der deutschen Filmlandschaft, so groß war die Not aber auch lange nicht mehr.
Das aktuelle Filmförderungsgesetz läuft nach einer Verlängerung zum Ende des Jahres nun endgültig aus. Eine Erhebung aus dem vergangenen Jahr beziffert den Einbruch der Filmproduktion auf 20 Prozent, hier spielen die Folgen der Pandemie allerdings ebenfalls eine Rolle.
Die geplante Reform der Filmförderung soll auf drei Säulen basieren, die die Anforderungsbereiche stärker bündeln. Die erste Säule wird die Förderungsinstrumente des Bundes unter die Verwaltung der Filmförderanstalt (FFA) stellen, die sowohl die „Filmabgaben“ der Kinos, Streamer und Sender steuert als auch künftig die kulturelle Förderung durch den Bund organisiert.
Die in diesem Paket enthaltende Referenzmittelförderung soll jungen Filmemacherinnen und Filmemachern mehr Planbarkeit bei der Projektentwicklung und der Finanzierung verschaffen. Damit zum Beispiel eine Maren Ade nach ihrem Erfolg mit „Toni Erdmann“ für ihren nächsten Film nicht wieder bei Null anfangen muss.
Die Erweiterung der Referenzförderung soll außerdem erstmals auch den Verleihern und den Urhebern, etwa den Drehbuchautoren zugutekommen. Diese Automatisierung der Projektförderung würde auch einer weiteren Zersplitterung der Förderbürokratie mit ihren sehr unterschiedlichen Instrumenten (zwischen Bund und Ländern) Einhalt gebieten.
Was sagt der Finanzminister dazu?
Die zweite und dritte Säule stellen politisch die größere Herausforderung dar. Die bisherigen Töpfe des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und des German Motion Picture Fund (GMPF) sollen zugunsten eines Steueranreizmodells abgeschafft werden, die künftigen Förderzulagen (30 Prozent vom deutschen Anteil der Herstellungskosten) kommen den Staat aber voraussichtlich erheblich teurer. Denn es handelt sich nicht mehr um gedeckelte Töpfe wie bisher.
Auch das sorgt für Planungssicherheit aufseiten der Produzenten, aber was sagt der Finanzminister dazu? Die Kosten lägen deutlich höher als die aktuell mit 166 Millionen Euro bezifferten (automatisierten) Fördersummen aus DFFF und GMPF.
Die dritte Säule, die Investitionsverpflichtung für Sender, Streamer und andere audiovisuelle Dienste, nimmt unter anderem jene Unternehmen in die Pflicht, die auf dem deutschen Markt Geld einnehmen, aber ihren Unternehmenssitz im Ausland haben und dort Steuern zahlen. Sie sollen einerseits von der Anreizförderung profitieren, im Gegenzug aber verpflichtet werden, in deutsche und europäische Produktionen zu investieren; von 20 Prozent des Vorjahresumsatzes ist im Entwurf die Rede.
Von diesem Instrument müssen vor allem globale Player wie Netflix oder Amazon überzeugt werden, die anders als in Frankreich bisher kaum in die deutsche Filmförderung einzahlen. Interessant dürften auch die Verhandlungen mit Netflix werden, die die Rechte an ihren Produktionen gewöhnlich einbehalten. Laut einer Klausel in der Investitionsverpflichtung sollen diese künftig nach fünf Jahren an die deutschen Produzenten zurückgehen oder wenigstens neu zur Verhandlung stehen. Wie die Streamer auf solcherlei staatliche Einflussnahme reagieren, wird sich noch zeigen.
Auf dem Papier mag dieser 200 Seiten umfassende Gesetzesentwurf „wie aus einem Guss“ klingen, wie Björn Böhning bereits begeistert kommentierte. Aber so weit war man vor gut einem Jahr auch ungefähr schon. Sind Christian Lindner und die Haushälter im Boot? Das wollte Claudia Roth am Dienstag so konkret nicht verraten. Man sei in Gesprächen.
Was zum Beispiel sagen die Länder dazu, dass die Regionalförderung mit der Bundesförderung gebündelt werden soll, wo die Kultur doch in föderalistischer Länderhoheit liegt? Sie finden es gut, heißt es, weil eine funktionierende Bundesförderung auch den Ländern zugutekommt. Und bei der Finanzierung heißt es, das neue Fördermodell werde sich über Steuermehreinnahmen dank der Zunahme von Produktionen und über die Investitionsverpflichtungen rechnen. Auch verlässt sich Roth auf das juristische Gutachten, demzufolge eine Verpflichtung der Öffentlich-Rechtlichen keinen Eingriff in die Programmhoheit bedeutet.
Ein wenig liest sich der Gesetzentwurf nach „Wünsch Dir was“, denn die zähen Verhandlungen beginnen jetzt erst. Und viel Zeit bleibt nicht. Gut zehn Monate sind knapp für ein so umfangreiches Gesetzesvorhaben, noch dazu in Zeiten des Medienwandels und einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Es wird ein Marathon, aber einer, der im Sprinttempo absolviert werden muss.