Schwimm-WM in Katar: Wellbrock reist mit Ballast in die Wüste

Florian Wellbrocks WM-Mission startete mit stürmischem Wind und Wellen. Beim Test der Freiwasserstrecke im Hafen von Doha war das erhoffte Sommer-Gefühl mitten im deutschen Winter nur eingeschränkt zu spüren.

Spätestens beim ersten Rennen des Olympiasiegers an diesem Sonntag über zehn Kilometer soll sich das bei vorhergesagtem Sonnenschein und 21 Grad Außentemperatur aber ändern. Knapp ein halbes Jahr vor den Sommerspielen will der beste deutsche Schwimmer in Katar Medaillen gewinnen. Fast noch wichtiger ist aber: Für Wellbrock soll die WM als Schub auf dem Weg Richtung Paris wirken.

Nach seinem aufsehenerregenden Totaleinbruch bei den Weltmeisterschaften 2023 in Japan will der 26-Jährige nicht zuletzt sich selbst mit Blick auf Olympia versichern: Die Extraklasse für Medaillen im Freiwasser und Becken beim selben Großereignis ist immer noch da.

„Die WM ist definitiv eine Gelegenheit, das noch mal zu beweisen“, sagte Wellbrock: „Ich habe jetzt nicht den Drang nach außen zu zeigen, dass beides funktionieren kann. Das habe ich in der Vergangenheit ja schon oft genug gezeigt und andere Athleten auch. Aber für das eigene Ego wäre das natürlich schon noch mal gut.“

Bei der WM in Fukuoka gewann Wellbrock zwei Goldmedaillen im Freiwasser

In Fukuoka hatte Wellbrock zweimal Gold im Freiwasser gewonnen und war dann bei den prestigeträchtigen Beckenwettbewerben über 800 und 1500 Meter Freistil als Mitfavorit völlig überraschend bereits im Vorlauf ausgeschieden. „Natürlich gibt es ein bisschen Ballast, den er mit sich rumträgt von der letzten WM für die Beckenwettbewerbe“, sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn. Die Analyse des Fiaskos am WM-Ende war schwierig.

„Wir haben bis heute nicht den einen Grund, bei dem wir sagen: Daran hat es definitiv gelegen“, sagte Wellbrock zur Aufarbeitung mit Berkhahn, ergänzte allerdings auch: „Ich glaube für mich allerdings schon, dass ich einen Grund gefunden habe, auch wenn sich das jetzt ein bisschen paradox anhört. Es ist eine Mutmaßung, aber ich glaube, dass es etwas Körperliches war und nichts Mentales.“ Mehr möchte er dazu nicht sagen. Das Thema habe er „in eine Schublade gepackt und die nicht wieder aufgemacht“.

Sich nun bei den Freiwasserrennen zu schonen, um dann im Becken ausgeruhter zu sein, kommt für ihn trotz der Negativerfahrung nicht infrage. „Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein sehr ehrgeiziger Typ bin. Ich bin im Training sehr gut gewesen“, sagte Wellbrock. „Ich werde viermal mein Bestes geben und das sollte im besten Fall dann natürlich auch für Medaillen reichen.“ Am Sonntag (8.30 Uhr/MEZ) will er seinen Titel über die olympische Distanz verteidigen.

Anders als Wellbrock sieht sein Coach den Fokus klar auf den Indoor-Rennen in der zweiten WM-Woche im Aspire Dome. Schließlich hat Wellbrock sein Olympia-Ticket im Freiwasser bereits sicher. Berkhahns Überlegung: „Es geht jetzt darum, die Chance zu nutzen und sich vielleicht für die ein oder andere Beckenstrecke vorzunominieren. Dafür muss er Platz eins bis vier belegen und bester Deutscher sein. Dann könnte er auch da schon die Qualifikation abhaken.“

Februar ist ein ungewöhnlicher WM-Monat

Wie seine Sportler stellt die Wüsten-WM in Katar auch den erfahrenen Magdeburger Trainer vor Herausforderungen. Weltmeisterschaften im Olympia-Jahr hat es noch nie gegeben. Höhentrainingslager, Trainingsumfänge und -schwerpunkte: All das ist auf Paris im Sommer ausgerichtet. „Wir sind uns noch so ein bisschen unsicher, wie schnell man schon schwimmen kann im Februar“, sagte Berkhahn.

Was er dagegen sicher weiß: „Der Hauptfokus der Topleute wird auf den Olympischen Spielen liegen. Deshalb glaube ich, dass das Niveau etwas niedriger sein wird als normal bei einer WM.“ Anders als sein Team, das in Bestbesetzung im Emirat antritt, lassen einige Spitzenschwimmer die Titelkämpfe aus. Medaillen könnten so leichter zu ergattern sein als sonst bei Weltmeisterschaften.

In Europameister Lukas Märtens und Europameisterin Isabel Gose hat Berkhahn zwei weitere Edelmetallkandidaten im Team. Beide hatten jüngst jedoch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, Märtens sogar mehrfach. Eine optimale Vorbereitung war nicht möglich. „Man fährt die ganze Zeit auf Sicht“, sagte Berkhahn. „Es gestaltet sich wirklich schwierig diese Saison. Ich habe da so meine Albträume in der Nacht.“

Zumindest Wellbrock blieb von Krankheiten zuletzt verschont, sein Fitnesszustand ist gut. Und auch vom Wind und dem unruhigen Meer ließ er sich die Laune am Freitag nicht verderben: Fröhlich posierte er beim Training mit den Teamkollegen für ein Foto und reckte den erhobenen Daumen in die Kamera.