Was das Humboldt Forum plant: Der Palast lebt!
Rund 70 ausführliche Interviews haben sie geführt, mit Zeitzeugen und wichtigen Playern. Für die Ausstellung wurde auch mit denen gesprochen, die den Palast der Republik bespielten, bevor er abgerissen wurde, etwa mit der heutigen Hamburger Kampnagel-Chefin Amelie Deufhard und dem Architekten und Publizisten Philipp Oswalt. Der Palast lebt! Das ist vielleicht die wichtigste Nachricht bei der Programmvorstellung des Humboldt Forums fürs neue Jahr.
„Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ heißt die Schau, die am 17. Mai eröffnet wird und neun Monate läuft. Programmleiterin Judith Prokasky weist darauf hin, dass der Palast kein DDR-Erbe ist, sondern ein gesamtdeutsches Vermächtnis: Er stand nach dem Mauerfall ebenso lange wie davor. Die Gespräche werden in der Schau als Audio- und Videomaterial verfügbar sein, 30 Prozent der Exponate stammen von privater Hand, 30 Prozent aus der eigenen Sammlung. Die „Gläserne Blume“, Reginald Richters legendäre Lampe im Foyer, seinerzeit Hingucker und Besucher-Treffpunkt, wird in Fragmenten präsentiert; auf der Agenda stehen auch Palast-Talks, Konzerte und das Theaterspektakel „Bau auf! Bau ab“ zur Eröffnung.
Prokasky setzt darauf, dass „Hin und weg“ nicht nur zum Austausch über Erinnerungen an den sozialistischen Volkspalast und die Wende inspiriert, sondern vor allem zur Diskussion über Ost-West hier und heute. Die Herkunft macht etwas mit uns, da ist sie sicher. Beim Pressegespräch im Bistro „Lebenswelten“ am Schlüterhof, der sich just da befindet, wo einst der Palast stand, schweift Prokaskys Blick über die Runde. Zwölf Humboldt-Mitarbeiter sitzen mit am Tisch, nur einer davon ist ein „Ossi“: Hartmut Dorgerloh, der Generalintendant.
Dorgerloh zieht erstmal Bilanz: 1,7 Millionen Besucher:innen zählte das Haus 2023 mit seinen vier Nutzern, der Stiftung Humboldt Forum selbst, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Ethnologischen Museum und dem für Asiatische Kunst, der Humboldt-Universität und dem Stadtmuseum mit der „Berlin global“-Ausstellung. Das sind 200.000 mehr als im Vorjahr, der Saison mit den letzten Teil-Eröffnungen und den letzten Pandemie-Ausläufern. Der wiedererstarkte Berlin-Tourismus macht sich bemerkbar: 65 Prozent der Besucher kommen nicht aus Berlin.
Zufrieden ist das Humboldt-Team vor allem mit den Zahlen bei den Veranstaltungen, die allein 100.000 Menschen anlockten; 60.000 nahmen an Workshops und Führungen teil. Man habe auch gelernt, so Dorgerloh: Zur Sonderausstellung „Un_endlich“ über das Leben mit dem Tod erst am Ende eine publikumsträchtige dreitägige Veranstaltung zu präsentieren und nicht früher, hat das Haus wohl um einige Besucher gebracht. Weil Angebote wie das Open-Air-Festival „Durchlüften“, das Freiluft-Filmfest „Box Office Around The World“ mit Blockbustern aus fernen Weltregionen oder die Konzerte mit der Lautten Compagney mit Klassik und Weltmusik gut angenommen wurden, werden sie fortgesetzt.
Der zweite Schwerpunkt, neben dem Palast der Republik, gilt dem Dauer-Aufregerthema Beutekunst. Ab März wird die Ausstellung „Kunst als Beute. 10 Geschichten“ zu sehen sein, die aus dem Mauritshuis in Den Haag kommt. Bei den zehn Fallstudien aus der Kolonialzeit, der napoleonischen und der NS-Zeit geht es auch um einen Pferdekopf der Quadriga vom Brandenburger Tor.
Noch mehr am Herzen liegt dem Humboldt-Forum die für Oktober geplante Tansania-Ausstellung, die gemeinsam mit dem dortigen Nationalmuseum und mit Repräsentanten der Communities erarbeitet wird. Kuratorin Maike Schimanowski war kürzlich in Tansania und hat mit Dutzenden Communities gesprochen. Auch Museumsdirektor Lars-Christian Koch betont die Bedeutung und die Komplexität solcher „kollaborativen“ Arbeit, die Zuhören erfordert und Geduld, nicht gerade gut gepflegte Tugenden der westlichen Gesellschaften.
Womit wir beim Thema Antidiskriminierung wären. Zur hitzigen Debatte um die neuerdings verpflichtende Klausel bei Förderbescheiden des Landes Berlin äußert Dorgerloh sich verhalten, macht aber dennoch deutlich, dass er Richtlinien nicht für das geeignete Mittel zur Antisemitismus- und Rassismus-Bekämpfung hält. Es sei wichtig, sich mit unterschiedlichen Perspektiven und international anderen Positionen auseinanderzusetzen, aber „nicht immer einfach“ in einer multiethnischen, postmigrantischen Gesellschaft, so der Intendant.
Und wie steht’s um die Aufregerthemen in eigener Sache? Bei der umstrittenen, intoleranten Bibel-Inschrift am Kuppelkreuz des Humboldt Forums geschieht erstmal: nichts. Im Sommer hatte sich eine temporäre nächtliche Überblendung mit anderen Texten im Sommer als zu kostspielig erwiesen, seitdem wird über das weitere Procedere beraten. Es scheint, als habe sich die Stadtgesellschaft von der Debatte abgewandt, ebenso Kulturstaatsministerin Claudia Roth.
Auch der vor einem Jahr für Unruhe sorgende Vorstoß, die Berlin-Ausstellung solle das Schloss vielleicht besser wieder verlassen, blieb folgenlos: Von einem Ausstieg des Landes Berlin ist derzeit schon deshalb nicht die Rede, weil mit der Renovierung des Märkischen Museums der Hauptspielort des Stadtmuseums einige Jahre geschlossen ist.
Bleibt das liebe Geld. Hartmut Dorgerloh rechnet wegen der effektiven Etatkürzung um eine Million Euro leider damit, dass über den bislang freien Eintritt in die Dauerausstellungen allmählich doch nachgedacht werden muss. Vorerst bleibt es jedoch bei Gratis-Tickets. Manchmal ist es gut, wenn Veränderungen sich hinziehen.