Die Sinnkrise ist vorbei: Rapper RIN hat Berlin schwer vermisst
„Ey, Berlin, könnt ihr die Tür zu machen?“, fragt Renato Simunovic aka RIN und wendet sich mit einer Umwandlung der legendären ersten Songzeile aus „Fabergé“ an die Fans. Bei denen hat der Rapper am Freitagabend in der Schmeling-Halle einiges wiedergutzumachen, denn die Tour war eigentlich für den Jahresbeginn geplant.
Aber RIN sagte kurzfristig ab. Er habe gemerkt, dass seine Skills in den letzten zwei Jahren nicht besser geworden seien. Die Konsequenz: Erstmal an neuen Songs und seiner Performance arbeiten. Via Instagram verkündete er: „Mir ist der Hate jetzt lieber, als der enttäuschte Fan später. Das ist ein Risiko, das ich nicht eingehen werde.“ Umso größer war nun die Erwartungshaltung. Hat sich der Aufschub gelohnt?
Vor einem kosmischen Bühnenbild, gesprenkelt von Monden und Milchstraßen, wärmt RIN das Publikum mit sanften Songs auf – eine Stärke des Musikers, der wie kein anderer deutscher Rapper für Emotionalität steht und auf melancholische Texte statt prolliger Selbstverherrlichung setzt.
Überraschend kommt gleich zu Beginn der Special Guest Schmyt auf die Bühne, mit dem RIN das gemeinsame Meisterwerk „Sternstaub“ performt. „Ich lass’ euch jetzt mal mit Schmyt alleine“ heißt es dann; die Menge jubelt. Der Sänger, bekannt für die Mischung von Hip-Hop und Pop, der gerne Franz Kafka und Rainer Maria Rilke liest, bringt mit seinen tragisch-schönen Texten die Gemüter zum Schmelzen: „Ich leg’ dir mein Herz schön verpackt vor die Tür. Sind ein paar Knitter drin, doch du weißt, die sind eh von dir“ – bei Schmyt klingt Kitsch plötzlich cool.
„Damit Renato gleich noch mehr ballert“ packt Schmyt die Akustikgitarre aus und sorgt für Lagerfeuer-Atmosphäre in der von Handy-Taschenlampen erleuchteten Halle. „Das ist so Standard, aber sieht immer wieder wunderschön aus“, schwärmt RIN und lacht.
Neo-romantischer Deutschrap
RIN und Schmyt, zwei Neo-Romantiker, die sich gefunden haben und dem Deutschrap mit ihrer feinsinnigen Ästhetik eine neue Richtung geben. Ungewöhnlich für Rap-Konzerte, sind auch ein Schlagzeuger und ein E-Gitarrist auf der Bühne vertreten, die das eine oder andere geniale Solo spielen. „Berlin, wollt ihr Bass?!“ – Berlin will und der Rapper läutet den energetischen Teil des Konzerts ein: „Oh, Junge!“
RIN’s letzte Show in Berlin musste wegen eines Stromausfalls abgebrochen werden, aber „diesmal machen uns die Stadtwerke keinen Strich durch die Rechnung.“ Jetzt rappt der Musiker mit „Bros“ und „Blackout“ seine absoluten „Banger“ und beweist, dass er nicht nur kreative Texte und Melodien zu bieten hat, sondern auch technisch extrem begabt ist. Ein Rapper, der weiß, wie er die Menge anheizt: tausende Hände in der Luft, Fans, die jede Zeile mitsingen und ein Moshpit folgt auf den anderen.
Ich hoffe, ihr merkt, dass wir nicht geflunkert haben – wie andere Deutschrap-Kollegen, die wegen zu geringer Ticketeinnahmen Touren absagen. Wir haben wirklich ein Jahr hier dran gearbeitet.
RIN während des Konzerts zu seinen Fans
Trotz aller Coolness bemerkt man erneut: Der junge Mann in der weinroten Trainingshose ist unfassbar sympathisch. Als zwei Fans auf die Bühne springen und von der Security entschieden abgeführt werden, ruft er: „Seid lieb zu den Jungs! Wir machen alle mal Dummheiten.“ Trotz seines Erfolgs hat man das Gefühl, dass eine edle Eigenschaft, die viele Stars von sich behaupten, tatsächlich auf RIN zutrifft: Bodenständigkeit.
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Und wie kann man mit jemandem nicht sympathisieren, dem ein schwäbisches „Sodale“ herausrutscht, wenn es ihm nach kurzem Rumgefummel gelingt, sein Mikrofon aus der Halterung zu manövrieren?
Der Künstler aus Bietigheim-Bissingen, dem Städtchen, das auch die Rap-Kollegen Shindy und Bausa hervorgebracht hat, macht keinen Hehl daraus, dass er seine Wochenenden lieber mit Gartenarbeit als auf Promi-Partys verbringt.
„Ach Berlin, ich hab euch vermisst“, sagt der Rapper, bevor er seinen letzten Song anstimmt – und soviel ist sicher: Berlin dich auch, RIN.