Mauersegler in der Stadt: Wenn sie da sind, ist Sommer
Noch ein Salto und noch einer. Jetzt ein Formationsflug – drei, vier, fünf nebeneinander schießen vergnügt kreischend am Balkon vorbei. Steigen auf in schwindelnde Höhen, bis sie zu schwarzen Pünktchen im Blau werden. Kehren dann unvermittelt zurück und trudeln in wildem Sturzflug wieder abwärts, bis sie die banale urbane Sphäre erreichen. Eine lärmende Neuköllner Verbindungsstraße, das Reich der flügellahmen Menschen, die ihnen sehnsuchtsvoll nachschauen.
Mauersegler, seid willkommen! Geht mir los, ihr Kurzbehosten, ihr Eisschlecker, Wegbiersäufer und Kanaluferhocker. Sommer ist erst, wenn Vogelakrobaten wieder den feinstaubgeschwängerten Luftraum adeln. Mit ihrer Eleganz, Heiterkeit, Spiellust.
Seit die Erderwärmung dem Sommer den Liebreiz gestohlen hat, die Unschuld, von Juni bis August einfach nur Sonnenschein und Wärme zu genießen, ohne gleich an umkippende Seen und brennende Wälder zu denken, sind die Mauersegler die letzten Verteidiger der unbeschwerten Sommerfreiheit. Zumindest sehen sie so aus.
Dass auch ihnen als Gebäudebrüter, die den Nachwuchs in Mauerlöchern und unter Dachkanten aufziehen, die Hitze zusetzt, stand häufiger in dieser Zeitung zu lesen. Und auch der Rückgang der Insekten und die Wärmedämmung von Fassaden behagt ihnen nicht. Trotzdem verzeichnet der Nabu den Langstreckenzugvogel, der in den Wintermonaten in Afrika südlich der Sahara einkehrt, noch nicht als gefährdete Art. Halleluja.
Mauersegler verbringen ihr Leben fast ausschließlich in der Luft. Im Sturzflug können die Segler Geschwindigkeiten von 200 Kilometer pro Stunde erreichen. So sieht der aerodynamische Körperbau der pfeilschnellen Flitzer auch aus. Ihre beneidenswert luftige Existenz hat Autor:innen wie Fernando Aramburu und Jasmin Schreiber zu Mauersegler-Romanen inspiriert.
Auf der Plattform lyrikline.org ist der Berliner Autor und Literaturwissenschaftler Jan Volker Röhnert mit einem schönen Mauersegler-Gedicht vertreten. Es beginnt „Sie haben ihr Reich auf Luft gebaut, / Wirbel, Widerstände, Windkanäle“, und später heißt es „im Hintergrund des Tages, / dem sie seinen Himmel wiedergeben: / Die Mauersegler sind das Blau“. Mehr noch: Sie sind reine Poesie.
Gunda Bartels würde gerne fliegen können wie die Mauersegler.