Wo Berlin unerträglich ist: So nicht mehr, Hermannplatz!

Ach, Hermannplatz, was ist aus dir geworden. Der Schönste warst du nie. Trotzdem haben wir uns 35 Jahre die Treue gehalten. Immer wenn mich jemand fragte, wie ich es mit dir als nächstgelegenem U-Bahnhof aushalte, habe ich milde gelächelt und den großen Robert Gernhardt zitiert. „Dich will ich loben: Hässliches / Du hast so was Verlässliches. (…) Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer / Das Hässliche erfreut durch Dauer.“

Klar, es gab auch früher mal Tage, an denen ich nicht stark genug war, um dich anzusteuern. An freien Sonntagen bloß nicht über den Hermannplatz, habe ich mir dann gesagt und andere Wege durch die Stadt gefunden. Aber meistens habe ich dich frohgemut oder zumindest Gott ergeben passiert.

Bis zu diesem Regenmorgen, an dem ich endgültig begreife, dass der erste Kreis der Hölle auf dem Hermannplatz liegt. Der Nieselregen hat die Obdachlosenlager aufgeweicht, die sich unter die Schaufenster von Karstadt ducken. Auf dem Platz scheint ein Humana-Container explodiert zu sein, der dort seltsamerweise nie stand. Oben auf dem schmuddeligen Klamottenberg liegt ein halber Kotflügel. Eigenartige Installation.

Wenige Schritte weiter beginnt die Baustellenfavela, die der seit ewigen Zeiten gesperrte Eingang Richtung Sonnenallee inzwischen darstellt. Vergessene Säcke mit Baumaterialien und Passantenmüll leben hier hinter einem wild beklebten Metallzaun in trautem Miteinander.

Unten im U-Bahnhof hat die BVG dem Baustellenwesen nicht nur große Teile des Bahnsteigs der Linie 7 überantwortet, sondern vor ein paar Wochen auch noch die eine Hälfte des zentralen Aufgangs großflächig verrammelt, um Rolltreppen auszutauschen. Seitdem quält sich der Strom der Mühseligen und Beladenen nur noch auf einer Seite hoch und runter.

Baupolizei, weißt du eigentlich, was hier am Hermannplatz vorgeht? Zumal der Metallverhau, hinter dem sich die Bauarbeiten auf dem Bahnsteig verschanzen, so wirkt, als ob er mindestens so lange stehen wird, bis die Museumsinsel saniert ist.

Hermannplatz, du hast es nicht verdient, dass dir so übel mitgespielt wird. Verlassen von allen guten Mächten, von jeder Kultur des öffentlichen Raumes, einfach den Kräften der Verrammelung und Verklebung überlassen. Du kannst das nicht zulassen, Hermannplatz, dass sie dich und mich so fertig machen. Verlässlich ist es, das Hässliche, aber es kann auch töten. Die Seele und den Stadtraum.