Deutschland gewinnt 9:0 gegen Liechtenstein
Knapp fünf Minuten für 15 Jahre. Kurz und schmerzlos fiel die Verabschiedung von Joachim Löw als Bundestrainer aus, gut fünf Monate nach dem Ende seiner Amtszeit. Die beiden Mannschaften standen schon für die Hymnen bereit, als Löw aus dem Kabinengang aufs Spielfeld trat. Sieben Weltmeister von 2014, dazu Mario Gomez und Oliver Bierhoff bildeten das Spalier für ihn. Von Peter Peters, dem Interimspräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, bekam Löw ein gerahmtes Bild, die Fans riefen ein paar Mal „Jogi! Jogi!“, der Stadionsprecher drehte seine Stimme bis zum Anschlag auf – und dann war es auch schon wieder vorbei.
Die Vergangenheit schaute am Donnerstag in Wolfsburg nur kurz vorbei, richtig nostalgisch wurde es nicht. Das hätte Joachim Löw vermutlich gar nicht gewollt, und es hätte auch nicht so richtig in den starren Zeitplan für das WM-Qualifikationsspiel zwischen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und Liechtenstein gepasst. Die Pflicht geht vor – auch wenn das Duell selbst später eher ein großer Spaß war. Zumindest für die Deutschen, die die erwartet einseitige Angelegenheit mit 9:0 (4:0) für sich entschieden.
An der deutlichen Überlegenheit der Nationalmannschaft änderten auch die personellen Probleme nichts, mit denen sich Hansi Flick, Löws Nachfolger als Bundestrainer, konfrontiert sah. Seine Planung war gehörig durcheinandergeraten, weil insgesamt acht Spieler das Quartier in Wolfsburg hatten verlassen müssen. Im Vergleich zum 4:0-Sieg vor einem Monat in Nordmazedonien standen sieben neue Spieler in der Startelf – und das nicht etwa, weil der Bundestrainer nach der geglückten Qualifikation für die WM in einem Jahr auch mal Spieler aus der zweiten Reihe sehen wollte.
Flick ging natürlich auch dieses Spiel mit dem nötigen Ernst an, und nichts anderes erwartete er auch von seiner Mannschaft, die sich beim Hinspiel vor zwei Monaten noch arg gequält hatte gegen einen superultrahyperdefensiven Gegner. In Wolfsburg war das Publikum von Beginn an gnädig gestimmt. Die erste Offensivaktion von Leon Goretzka – halb Schuss, halb Flanke – wurde mit einem freundlichen Raunen begleitet, die Durchsage an einen Falschfahrer feierte das mit 25<TH>984 Zuschauern ausverkaufte Stadion mit frenetischem Jubel.
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Dabei war der Anfang auch diesmal recht zäh. Zu Beginn hatte die Darbietung auf dem Rasen die Ästhetik eines Handballspiels. Der Ball rollte von links nach rechts und wieder nach links um den Strafraum der Liechtensteiner herum. Das Gesamtbild änderte sich nach knapp zehn Minuten, als Innenverteidiger Jens Hofer mehr aus Ungeschick als aus bösem Willen Goretzka seine Stollen in den Hals rammte. Es gab Elfmeter für die Deutschen – und Rot für Hofer, dem Goretzka nach erfolgreicher Behandlung tröstend über den Scheitel strich.
Nachdem Ilkay Gündogan den Elfmeter zum 1:0 verwandelt hatte, geriet die Nummer 190 der Weltrangliste in einen Zustand permanenter Überforderung; schon zur Pause hätte das Ergebnis bei konsequenter Chancenverwertung zweistellig für die deutsche Mannschaft ausfallen können. Das verhinderte unter anderem Liechtensteins Torhüter Benjamin Büchel, der die eine oder andere Gelegenheit der Deutschen zunichtemachte.
So hieß es nach der ersten Hälfte nur 4:0 – weil die Gastgeber mit einem beherzten Zwischenspurt innerhalb von drei Minuten drei Tore erzielt hatten. Beim 2:0 grätschte Liechtensteins Innenverteidiger Daniel Kaufmann eine scharfe Hereingabe von Linksverteidiger Christian Günter ins eigene Netz. Leroy Sané und Marco Reus steuerten die weiteren Tore bei.
In dieser Phase war jeder Schuss ein Treffer, danach wurden die Deutschen ein wenig nachsichtiger mit ihrem bemitleidenswerten Gegner, der kaum einmal aus der eigenen Hälfte kam. Mehr als 80 Prozent Ballbesitz wies die Statistik für das deutsche Team aus, selbst Torhüter Manuel Neuer bezog zeitweise eine vorgeschobene Position im Mittelkreis.
Zur zweiten Hälfte brachte Flick neben Florian Neuhaus auch den Wolfsburger Lukas Nmecha, den vierten Debütanten seiner Amtszeit. Nmecha ist das, was man einen klassischen Mittelstürmer nennt; einer, der mit Wucht kommt. Gut zehn Minuten war er auf dem Feld, als er den Pfosten traf. Für ein Tor reichte es bei seinem ersten Länderspieleinsatz noch nicht.
Es waren Leroy Sané, Ridle Baku und zweimal Thomas Müller, die nach der Pause trafen. Hinzu kam kurz vor Schluss ein weiteres Eigentor der Liechtensteiner. Nur zweistellig wurde es trotz eines beherzten Schlussspurts der deutschen Mannschaft mit drei Treffer in den letzten zehn Minuten nicht mehr. Aber immerhin feierte Hansi Flick in seinem sechsten Spiel seinen sechsten Sieg. Damit hält er jetzt ganz allein den Startrekord eines Bundestrainers. Bisher musste er ihn sich teilen. Mit Joachim Löw.