Thriller-Serie auf RTL+: Menschliche Abgründe in Wuppertal

Eine Hütte im Wald, eine an einem Stuhl gefesselte Frau, die von einem bewaffneten Mann bedroht wird, im Hintergrund die Stimme einer verängstigten jüngeren Frau – die kurze Szene zu Beginn der Mini-Serie „Zwei Seiten des Abgrunds“ (RTL+, ab 8. Mai) lässt keinen Zweifel daran, dass alles auf eine finale Konfrontation zuläuft. Bis dahin fließt jedoch noch einiges Wasser von der Wupper in den Rhein.

Zu Beginn der sechsteiligen Thriller-Serie wird die Streifenpolizistin Luise Berg (Anne Ratte-Polle) zu einem Einsatz in einem Wuppertaler Baumarkt gerufen. Ein randalierendes Problemkid muss gebändigt werden. Beim Verlassen des Baumarktes sieht die Beamtin jemanden an einer Kasse stehen, der sie aus der Fassung bringt: Dennis Opitz (Anton Dreger), der nicht einmal sieben Jahre zuvor ihre 17-jährige Tochter Merle (Josephine Thiesen) getötet hatte und nun vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Wegen seiner „hervorragenden Sozialprognose“.

Am schwärzesten Fluss der Welt, der Wupper, lernt man erkennen, welche Menschen leuchten.

Für Kristin Derfler, die Creatorin und Autorin der Serie, fasst diese Gedichtzeile der gebürtigen Wuppertalerin Else Lasker-Schüler in ihrer prägnanten Schlichtheit das Leitmotiv von „Zwei Seiten des Abgrunds“ zusammen.  

Luise Berg kauft ihm das nicht ab, kann aber niemanden von ihren Zweifeln überzeugen. Auch dann nicht, als es zu weiteren Morden kommt. Schlimmer noch: Dennis Opitz macht sich an Bergs jüngere Tochter Josi (Lea von Acken) heran. Aber vielleicht sieht Luise nur Gespenster und alles ist ganz anders? Oder befindet sich Dennis tatsächlich auf einem Rachefeldzug? Und wenn ja, warum? Die Grenzen zwischen Schuld und Unschuld, Tätern und Opfern, Recht und Gerechtigkeit scheinen zu verwischen. Die Idee für die Serie (Regie: Anno Saul) basiert dabei auf einem realen Fall. Ein 14-jähriges Mädchen wurde tatsächlich mit 24 Messerstichen von einem anderen Teenager getötet.

Bleibt die Frage: warum Wuppertal? Serien-Schöpferin Kristin Derfler hat an der dem Ort gereizt, dass er zwar die größte Stadt des Bergischen Landes ist, die filmisch jedoch bislang weitgehend unentdeckt blieb. Sie sei „fasziniert von der visuellen Strahlkraft und dem morbiden Charme dieser ehemaligen Textilindustriestadt“, so Derfler. Entsprechend häufig sind Bilder mit der berühmten Wuppertaler Schwebebahn.

Besonders ist auch die Kooperation von RTL und Warner Bros bei der Produktion. Die Serie startet dadurch zeitgleich bei RTL+ und Warner TV sowie unter dem Titel „Two Sides of the Abyss“ international auf HBO Max.