Tänzer:innen über 40: Das Dance On Ensemble spielt mit vielen Stufen von Grau

Das Dance On Ensemble ist einzigartig in der deutschen Tanzszene. Die Kompanie wurde 2015 gegründet mit dem Ziel, ausschließlich professionelle Tänzer:innen über 40 zu engagieren. Dance On hat sich in sieben Jahren eine hohe Reputation ertanzt – und zwar keineswegs als Seniorentruppe. Es hat sich ein spannendes Repertoire erarbeitet mit renommierten internationalen Choreograf:innen, die die reiche Erfahrung und das immense Körperwissen der Tänzer:innen für sich als Inspiration begreifen.

Im Radialsystem präsentierte das Dance On Ensemble nun die neue Produktion „Mellowing“. Der griechische Choreograf Christos Papadopoulos hat das Stück gemeinsam mit elf Tänzer:innen erarbeitet. Der Musiker Coti K hat den Entstehungsprozess begleitet und die elektronischen Sounds nach den Vorgaben des Choreografen geschaffen.

Nuancen von Schiefergrau bis Anthrazit

Auf der Rückwand sieht man einen hellen Streifen, der in Grauschattierungen übergeht. Auch die Kostüme der Performer:innen sind überwiegend in Grautönen gehalten. Es sind zwar nicht „50 Shades of Grey“ zu sehen, aber unterschiedliche Nuancen von Schiefergrau bis Anthrazit. Auch beim Tanzen kommt es hier auf die die graduellen Abstufungen an.

Die elf Tänzer:innen treten nacheinander auf. Zunächst kommen sie kaum von Fleck. Sie beugen und strecken abwechselnd die Knie – und zwar in einer kaum merklichen Bewegungen. Die Arme hängen locker herab; die Performer:innen wirken ganz entspannt und zugleich hellwach.

Dann bewegen sie sich in winzigen Schritten durch den Raum, der nun hell erleuchtet ist. Die Füße haben dabei immer Bodenkontakt. Die Komposition hat zunächst etwas Monotones mit ihrem gleichbleibenden Puls, der dann von verschiedenen rhythmischen Mustern überlagert wird. Asketisch und fast schon meditativ mutet der Tanz an mit Regungen an der Grenze des Wahrnehmbaren.

Wiederholungen und rhythmische Variationen

Weniger ist mehr. Christos Papadopoulos hat sich mit minimalistischen Tanzstücken einen Namen gemacht. Den Minimalismus treibt er in „Mellowing“ gewissermaßen auf die Spitze. Aber es ist durchaus spannend, die Tänzer:innen dabei zu beobachten, wie sie eine an sich unscheinbare Bewegung entfalten und weiterentwickeln.

Tanzperformance „Mellowing“ im Radialsystem.
Tanzperformance „Mellowing“ im Radialsystem.
© Jubal Battisti

Papadopulis arbeitet mit Wiederholungen, Phasenverschiebungen und rhythmischen Variationen. Die Bewegungen werden allmählich etwas größer und dynamischer, aber es sind nur sachte Steigerungen, die  Papadopulos zulässt. Er legt den Fokus auch darauf, wie sich die Konstellationen der Gruppe im Raum verändern.

Die Tänzer;innen finden sich zu Duos oder Trios zusammen und verschieben dabei ständig ihre Position durch kleine Richtungswechsel. Sie stellen sich hintereinander auf oder stehen sich gegenüber, sie rücken vor, zurück und zur Seite. Die Gruppe ballt sich dann zu einem Cluster zusammen und zerstreut sich wieder.

Die Schritte werden größer, nun sind auch Bewegungen der Hüften und der Schultern zu erkennen – oder ein Rucken des Kopfes. Wurden die Performer:innen anfangs wie Figuren auf einem Schachbrett hin- und hergeschoben., so bilden sie zum Schluss eine zusammengeschweißte Gemeinschaft. Die Energie bricht sich nun Bahn und der Tanz entfaltet eine große Sogkraft.

„Mellowing“ ist eine Schule des Sehens. Wer sich auf die Choreografie einlässt, wird eine Fülle an Details entdecken. Und bei jedem der Performer:innen lassen sich individuellen Nuancen und Feinheiten erkennen. Es ist eine Freude, diesen erfahrenen und ausdrucksstarken Tänzerpersönlichkeiten zuzuschauen. In „Mellowing“ gelingt es ihnen, die Spannung zu halten, die Intensität zu steigern und Freiheit in der in der strengen Form zu finden.

Bei aller Einfachheit ist „Mellowing“ ein komplexer und faszinierender Tanzabend. Und das Dance On Ensemble hat erneut unter Beweis gestellt, dass es eine Bereicherung für die Tanzszene ist.

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