Der Mann mit dem grünen Daumen

Christian Engelmann legt Wert auf einen geruhsamen Schlaf. Und deswegen geht der 58 Jahre alte Münchner lieber auf Nummer sicher. Beim Tennisturnier in Berlin ist er mit seiner Firma für die drei Rasenplätze auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß verantwortlich – oder genauer dafür, dass die die ganze Woche über möglichst gleich gut bespielbar sind. Dafür ist die nächtliche Abdeckung der Courts Grundvoraussetzung, denn es gibt für Engelmann und seine drei Mitarbeiter nichts Schlimmeres, als von einem nächtlichen Schauer überrascht zu werden.

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Mit der Plane über dem Gras kann es da kein böses Erwachen geben, selbst wenn das Regenrisiko in diesen Tagen gegen null tendiert. „Ich habe da schon einiges erlebt“, erzählt Engelmann lachend und blickt dabei entspannt auf den Plätze Nummer eins und zwei direkt hinter dem Center Court. Spätestens seit ihm einmal irgendwo von allen Seiten versichert wurde, dass es über Nacht nicht regnen würde und gegen 5 Uhr plötzlich dunkle Wolken aufzogen, weiß er: Wenn der Tag geht, muss die Plane drauf.

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Insgesamt verläuft die Berliner Woche für sein Team allerdings entspannt. „Das war in Stuttgart zuletzt noch ganz anders, weil es da so viel geregnet hat“, sagt er. Und Regen ist der größte Feind des Rasens. Für die Tennisspieler, aber vor allem für den Platz selbst. Die für das Wochenende in Berlin angesagten Temperaturen jenseits der 30 Grad bei strahlendem Sonnenschein können ihn dagegen nicht wirklich beunruhigen, auch wenn er weiß: „Ganz früh spielt sich so ein Rasenplatz nach einem heißen Tag anders als am Abend.“

Morgens werden zunächst die Courts aufgedeckt, dann wird gemäht. Jeden Tag auf acht Zentimeter Höhe – ganz so wie in Wimbledon, für das die Veranstaltung in Berlin als Vorbereitung dient. Und deswegen sollen sich die Plätze möglichst ähnlich spielen wie die in Südwest-London. Wobei so ein Rasen in einer Turnierwoche einiges mitmachen muss. Vier Matches finden im Steffi-Graf-Stadion täglich statt, am Freitag standen die Viertelfinals auf dem Programm. „Zwischendurch können wir auf dem Platz nichts machen“, erklärt Engelmann. Trotzdem sieht man ihn auf der Anlage stets ein wenig nervös und mit Kopfhörern im Ohr hin- und herlaufen.

Christian Engelmann ist beim Turnier in Berlin für den Rasen zuständig.Foto: Jörg Leopold

Neil Stubley, der legendäre Greenkeeper Wimbledons mit dem offiziellen Titel „Head of Courts and Horticulture“ und damit indirekt Engelmanns Auftraggeber, hätte aber bisher noch nicht angerufen. Das darf durchaus als Vertrauensbeweis gelten, zumal der Deutsche viel Erfahrung mit den unterschiedlichen Grüns beim Tennis, Golf und Fußball hat. Nach Stuttgart und Berlin folgt für seine Crew nächste Woche noch das Turnier in Bad Homburg. Und dann? „Fahre ich vielleicht nach Wimbledon“, sagt er scherzhaft.

Die Spielerinnen im Grunewald sind bisher sehr zufrieden mit dem Untergrund, zumindest habe er keine Klagen vernommen, erzählt Engelmann. Für ihn ist so ein Turnier hingegen immer eine zweischneidige Sache, denn sein über Monate gepflegter Rasen sieht nach jetzt sieben Tagen und zahlreichen Spielen längst nicht mehr so frisch aus wie zu Beginn. „Wir versuchen natürlich, mit Bewässerung ein bisschen gegenzusteuern. Aber zu viel darf es dann auch wieder nicht sein“, sagt Engelmann.

Er selbst hat noch nie auf Rasen Tennis gespielt, trotzdem hält er es anders als Ivan Lendl, der einst behauptete „Gras ist nur etwas für Kühe“. Engelmann kann sich an der Schönheit des Wuchses genauso erfreuen wie an den Leistungen der Profis darauf. Für den Breitensportler sei Tennis auf Rasen hingegen kaum machbar, zumindest in Deutschland. Denn – und wer wüsste das besser – so ein Platz ist einfach sehr pflegeintensiv. Wobei er auch betuchte Menschen kenne, die sich einen Rasenplatz in den eigenen Garten legen würden. Macht ja auch was her.

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Als studierter Agrartechniker sieht Engelmann die zunehmende Trockenheit überall in Deutschland mit Sorge. In Berlin sei die aktuell sogar besonders ausgeprägt, in diesem Frühjahr fehle der sonst übliche Morgentau auch windbedingt fast komplett. Entsprechend viel Wasser braucht so ein Rasen. Dem Hobby-Gärtner empfiehlt er für dieses heiße Wochenende durchaus Mut zur Wässerung auch tagsüber. „Der Brennglaseffekt auf den Rasen durch die Sonne ist ein Mythos“, sagt er. Wer sprengt, solle das am besten mit einem Schlauch tun.

Gut möglich, dass der am Samstag und Sonntag im Steffi-Graf-Stadion auch zum Einsatz kommt – um damit die Zuschauer ein wenig abzukühlen. Für den von Christian Engelmann bewachten Berliner Rasen ist dann ab nächste Woche Sommerpause.