Netflix macht „Squid Game“ zur Reality-Show – das sind die Gründe
In der Hit-Serie „Squid Game“ nehmen verschuldete Menschen an geheimen, tödlichen Spielen teil, um ein großes Preisgeld zu gewinnen. Populäre südkoreanische Kinderspiele wie „Rotes Licht, grünes Licht“ werden zu Kämpfen, bei denen die Teilnehmer:innen reihenweise erschossen oder auf andere brutale Art getötet werden. Es geht um die Getriebenen des Kapitalismus in Südkorea, die sich wie die Hauptfigur Seong Gi-hun einfach nicht mehr anders zu helfen wissen.
Nun hat der Streamingdienst angekündigt, die fiktive Serie ausgerechnet als Reality-Game-Show fortzuführen. 456 Kandidat:innen aus aller Welt sollen in den – gefahrlosen – Spielen von „Squid Game: The Challenge“ gegeneinander antreten und als Preisgeld winken 4,56 Millionen US-Dollar.
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Eine kapitalismuskritische Serie wird als Game-Show weiterverwertet. Diese durchaus realsatirische Entscheidung von Netflix ist im Angesicht des gigantischen Erfolgs der Serie zu verstehen, und vor dem Hintergrund einer angespannten wirtschaftlichen Situation des Streamingdienstes.
„Squid Game“ ist die mit Abstand erfolgreichste Netflix-Serie
Mit der vierten Staffel der nostalgischen Science-Fiction-Serie „Stranger Things“ gelang dem Streamingdienst kürzlich der erfolgreichste Serien- beziehungsweise Staffel-Start einer englischsprachigen Serie. Mit 781 Millionen Streaming-Stunden innerhalb der ersten 28 Tage kommt „Stranger Things“ aber nicht mal auf die Hälfte des Werts von „Squid Game“. Netflix gibt hier 1,6 Milliarden Stunden für die erste Staffel an (die kürzer ist als die vierte Season „Stranger Things“). „Squid Game“ war ein globales Phänomen, ein Überraschungserfolg, den kaum jemand aus der Branche erwartet hatte.
Man darf davon ausgehen, dass der Streamingdienst seit Monaten fieberhaft an einer Fortsetzung dieses Erfolgs arbeitet. Erfolgreiche Serien sind Aushängeschilder, die Streamingdienste und TV-Sender dringend brauchen, um sich von der Konkurrenz abzuheben – vor allem in Zeiten einer inflationär großen Serien-Gesamtproduktion, in der selbst TV-Journalisten nicht mehr damit hinterherkommen, alle Neustarts zu schauen.
Die 2. Staffel „Squid Game“ lässt aber auf sich warten
Eine zweite Staffel „Squid Game“ wird zwar kommen, sie könnte nach Aussage des Serien-Machers Hwang Dong-hyuk aber noch bis Herbst 2024 auf sich warten lassen. In bemerkenswert offenen Worten hatte der südkoreanische Regisseur und Drehbuchautor zuvor gegenüber dem Branchenmagazin „Variety“ eingestanden, wie anstrengend der jahrelange Arbeitsprozess an der ersten Staffel war – und zumindest im September 2021 hatte er noch keine ausgearbeiteten Pläne für die nächste Season. Gut möglich, dass bei Netflix hier die Idee mit der Reality-Game-Show geboren wurde, die ein Lückenfüller werden könnte.
Netflix verliert Abos und braucht Hits
Erfolgreiche Formate wie „Squid Game“ versprechen neue Abos und bringen Kund:innen dazu, ihre bestehende Mitgliedschaft fortzuführen. Eben das war bei Netflix, wo Ende des ersten Quartals dieses Jahres 221,64 Millionen Abos ausgewiesen wurden, zuletzt ein Problem. Etwa 200.000 Bezahlabos gingen 2022 bis Ende März verloren. Erstmals seit 2011 sanken die Nutzerzahlen und als Folge sackte die Aktie ab, da Anleger:innen auf fortlaufendes Abo-Wachstum gesetzt hatten und vom jüngsten Quartalsbericht enttäuscht wurden.
Schlimmer noch: Fürs zweite Quartal prognostizierte Netflix einen weiteren Abo-Rückgang von etwa zwei Millionen. Auch damit bliebe Netflix zwar der größte Streamingdienst und deutlich vor dem großen Konkurrenten Disney+ (weltweit 137,7 Millionen Abos im zweiten Quartal 2022). Gleichwohl hat die Netflix-Aktie mit ihrem derzeitigen Wert von 161 Euro seit Jahresbeginn fast 69 Prozent verloren. Die Börse setzt Netflix massiv unter Druck. Die Einbindung von Werbung, die jahrelang tabu war, wird nun tatsächlich geplant – und der Hit „Squid Game“ zu einem Franchise ausgebaut, das demnächst sogar eine Reality-Game-Show umfasst.