Jule Niemeier klopft an bei den Großen
Im Steffi-Graf-Stadion war lauter Jubel zu vernehmen. Dabei war im Duell zwischen Jule Niemeier und Belinda Bencic noch nicht allzu viel passiert. Aber nebenan, auf dem zweitgrößten Platz der Tennisanlage des LTTC Rot-Weiß Berlin, hatte Lokalmatadorin Sabine Lisicki gerade ihr Doppel an der Seite der Kanadierin Bianca Andreescu gewonnen – und das interessierte die Zuschauer noch ein bisschen mehr als Niemeiers Erstrunden-Auftritt auf dem Center Court.
Die 22 Jahre alte Dortmunderin ist bisher vor allem Tennisfachleuten ein Begriff, dabei ist sie inzwischen die drittbeste deutsche Spielerin hinter der in Berlin fehlenden Angelique Kerber und Andrea Petkovic, die nach Niemeier ihr Match gegen Garbine Muguruza aus Spanien 7:6, 6:4 gewann. Vor ein paar Tagen gewann die junge Deutsche ihr erstes Turnier auf WTA-Niveau, auf Sand siegte sie in Makarska/Kroatien.
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In Berlin kam hingegen nun schon das Aus in Runde eins, wie im Vorjahr unterlag sie der Schweizerin Bencic nach hartem Kampf in drei Sätzen. 4:6, 7:5 und 3:6 hieß es nach rund zweieinhalb Stunden Spielzeit, in der Niemeier durchaus ihre Chancen gegen die Berliner Vorjahresfinalistin und Olympiasiegerin hatte.
„Ich kann mit meiner Leistung zufrieden sein. Belinda ist einfach sehr stark auf Rasen“, sagte sie nach dem Match und verwies auf den Erfahrungsvorsprung ihrer Gegnerin. „Ich muss noch lernen, mich auf die wichtigen Punkte zu fokussieren. Aber diese Matches helfen mir dabei“, fügte Niemeier an.
Die Rechtshänderin verfügt über ein für Rasentennis passables Schlagrepertoire. Ihr Service kratzte in Berlin wiederholt an der 190-Stundenkilometer-Marke, dazu wagte sich Niemeier gegen Bencic auch immer wieder ans Netz und streute vereinzelt sogar Serve-and-Volley ein. Letztlich aber mangelte es ihr an Konstanz und zu häufig schlichen sich Fehler in ihr Spiel ein. Mal war eine Vorhand zu lang, dann wieder ein Slice zu unsauber ausgeführt.
Doch all das gehört zum Lernprozess, Niemeier hat noch nicht viele Turnier auf höchstem Niveau gespielt, kürzlich konnte sie sich bei den French Open erstmals überhaupt für ein Hauptfeld bei einem Grand-Slam-Turnier qualifizieren. Als die große Zukunftshoffnung im chronisch nachwuchsschwachen deutschen Frauentennis gilt sie mit ihren 22 Jahren ohnehin nicht unbedingt, auch wenn sie mangels Alternative schon als solche bezeichnet wurde. Sie selbst sieht sich noch „recht am Anfang“ ihrer Karriere. Deswegen fahre sie zu Turnieren wie dem in Berlin auch nicht mit allzu hohen Erwartungen. Aber, so sagt sie selbstbewusst: „Ich weiß, dass ich sehr gut spielen kann.“
Auf dem Weg in die Weltspitze wird Niemeier vom ehemaligen Profi Christopher Kas betreut. Der saß in Berlin in der Box und versuchte dem mehrfach ausbrechenden Temperament seiner Spielerin mit Ruhe zu begegnen. Immerhin schaffte es Niemeier so, das lange zurückhaltende Berliner Publikum mehr und mehr auf ihre Seite zu ziehen. Als sich das Match gegen Bencic im zweiten Satz in Richtung der Deutschen drehte, gab es rhythmisches Klatschen und am Ende auch einen zumindest kleinen Beifallswindzug.
Einige Fans auf den obersten Reihen des Steffi-Graf-Stadions nutzten die Gunst der Stunde trotzdem und schauten während des Niemeier-Matches immer wieder rüber auf das Lisicki-Doppel ein paar Meter unterhalb auf dem Nebenplatz. Naturgemäß kann sich Niemeier in Sachen Popularität nicht mit der früheren Wimbledon-Finalistin vergleichen und es ist zweifelhaft, dass sie es einmal ähnlich weit bringt wie die 32 Jahre alte Rot-Weiß-Ikone.
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Und doch war der Dienstagnachmittag im Grunewald ein kleiner Fingerzeig. Lisicki arbeitet derzeit nach langer Verletzung an ihrem x-ten Comeback, Niemeier hingegen schnuppert erst am ganz großen Tennis. Was in dieser Hinsicht noch möglich ist, vor allem wenn die goldene Generation um Kerber, Petkovic und eben Lisicki endgültig abtritt, weiß Niemeier wohl im Moment selbst noch nicht. Sicher scheint hingegen, dass sie künftig häufiger das Zugpferd aus deutscher Sicht sein wird.
Noch bleibt ihr diesbezüglich etwas Zeit, um im Schatten der bekannteren Kolleginnen zu wachsen. In Wimbledon in zwei Wochen steht dabei die nächste Bewährungsprobe für sie an, dort ist Jule Niemeier erstmals direkt für das Hauptfeld qualifiziert. „Erst einmal freue ich mich, dass ich dort auf der Anlage spielen werde“, sagt sie. Und auch wenn das Turnier in Berlin ohne Sieg für sie zu Ende gegangen bist, so fährt sie doch „sehr selbstbewusst“ ins Tennismekka.