Renaissance auf einen Blick
Es gibt Dinge, die gibt’s gar nicht. Dazu gehört eine Ausstellung, in der die berühmtesten Meisterwerke der Renaissance alle auf einmal zu sehen sind. Kein Museum der Welt, kein noch so gewiefter Kurator kriegt das hin. Leonardos „Mona Lisa“ und sein „Letztes Abendmahl“, Michelangelos „Jüngstes Gericht“, Botticellis „Geburt der Venus“ und Raffaels „Schule von Athen“, alle in einem Raum.
Nope. Nicht möglich. Man müsste schon in Paris, Mailand, Florenz und Rom gleichzeitig sein, um das zu erleben. Oder man geht in die Parochialkirche in Berlin-Mitte.
Eine Ausstellung – alles gesehen
Dort wird sich im März ein vorösterliches Wunder einstellen. Oder besser: einmieten. So ist es angekündigt: 60 Reproduktionen plus Michelangelos nachgebauter David im Zentrum. Da bleibt kein Auge trocken, kein Smartphone ungezückt. Ein Ausstellungsbesuch – alles gesehen, jubiliert der Veranstalter in der Einladung.
Ganz zu schweigen von den „mehr als 100 000 Besuchern“, die die Sache schon in „österreichischen Metropolen“ gesehen haben. Das Kunstevent sei „gestürmt“ worden, lässt das Concertbüro Zahlmann wissen. Nur das mal klar ist, worum es hier geht: Akkusativ, Dativ, Superlativ!
Man wird sich bei den ganzen Nackten, Heiligen, Schönen und Philosophen, die auf den Bildern herumwuseln, wie in einer anderen Welt fühlen. Hat die überhaupt schon jemand gezählt? 756 gemalte Figuren, 1512 Augen, 3024 Arme und Beine. Irre. Natürlich alles sehr gut ausgedruckt. Auf Riesenpapier. Und mit Original-Renaissancegefühl. Wollte man so etwas erleben, müsste man sonst, ja, man müsste… ins Museum.
Mit Reproduktionen im Museum werden nachfolgende Generationen wohl ganz selbstverständlich leben. Weil Raubgut zurück in die Herkunftsländer geht, weil Kurztrips vielleicht weniger werden, weil Museen in Ländern liegen, die man aus politischen Gründen gerade nicht bereisen kann. Es gibt viele Gründe. Auch wird die digitale Technik immer besser und damit die Möglichkeiten der Reproduktion.
Man wird nur bei diesem „Kunst- als-Erlebnis“-Event das Gefühl nicht los, dass es mehr um schnelles Geld als um Bildung und Experimente geht. Oder warum muss man das anpreisen wie Sauerbier?