Serie „Fauda“ zum palästinensisch-israelischen Konflikt: Eskalation, die kein Ende kennt

Überholt hier die Fiktion die Realität oder die Realität die Fiktion? Aktuell liegt die Realität wieder vorne, nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Aber wer „Fauda“, die israelische Serie, die seit vier Staffeln bei Netflix läuft, verfolgt, der kann von den brutalen Ereignissen nicht wirklich überrascht sein.

Mayday-Losung

„Fauda“, arabisches Wort für „Chaos“ und eine Mayday-Losung scheiternder Militäroperationen, nimmt den palästinensisch-israelischen Konflikt auf, in den Flüchtlingslagern, in Jerusalem, im Westjordanland, in Gaza. Eine Antiterroreinheit der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, angeführt von Doron Kabillo (Lior Raz), jagt palästinensische Terroristen. Einige Episoden drehen sich um die Operation „Guardian of the Wall“, die letzte israelische Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen im Mai 2021,

Ausgedacht haben sich die Serie Avi Issacharoff und Lior Raz. Issacharoff ist ein israelischer Journalist, Raz war Soldat in einer Spezialeinheit. Bei aller Dramatik, bei aller Action, bei aller Brutalität – „Fauda“ gewinnt seine erzählerische Kraft aus der Authentizität der Erzählung und der darin eingebetteten Ereignisse.

Und die (Thriller-)Serie zeigt, wie sehr sich der Konflikt in die Geschichte und Gegenwart Israels und Palästinas hineingefressen hat, in Bewusstsein und Mentalität, in die Menschen. Es gibt nicht einfach das israelische und das palästinensische Lager.

Weil sich „Fauda“ so intensiv um den Konflikt bemüht, ist die Produktion selbst schon Konfliktstoff geworden. George Zeidan nannte die Serie in der Zeitung „Haaretz“ 2020 „nicht nur dumm, verlogen und auf traurige Weise absurd, sondern anti-palästinensische Hetze“. Die Produzenten Issacharoff und Raz behaupteten hingegen laut „United with Israel“, dass die Serie auch bei Zuschauern in der arabischen Welt auf nachhaltiges Interesse stoße. Für die „New York Times“ war „Fauda“ die beste Serie des Jahres 2017.

Axel Timo Purr rühmt bei artechock.de sehr zu Recht die „Doppel­helix aus Empathie und gnaden­losem analy­ti­schem Kalkül“ der Serie, die das Publikum in der netflix­weiten Welt hinter die Kulissen dieses Konfliktes blicken lässt.

Die Autoren blitzten übrigens mit ihrem Stoff bei mehreren Produktionsfirmen ab, kein israelischer Sender wollte „Fauda“ anfänglich verfilmen. Mittlerweile reiht sich die Serie in die anhaltenden Serienerfolge ein: „Shitsel“, „Teheran“, „Die Geiseln“, „False Flag“ oder „BeTipul“, Vorlage für Adaptionen wie „In Treatment“ oder „En thérapie“.

„Fauda“ zeigt, dass die Terrorbekämpfung dem Kampf gegen eine Hydra gleicht. Wird mit riesigem Einsatz und unter Billigung unschuldiger Opfer auf beiden Seiten ein Terroranführer eliminiert, ist schon Stunden später sein Nachfolger da. Ein Kampf im kleinen wie im großen Maßstab. Es herrschen nie allein Gut und Böse, es herrschen die Dämonen, die die Menschen in diesem Konflikt beherrschen.

Das Misstrauen geht mitten durch Familien und Ehen. Lucy Ayoub, spielt in der aktuellen Staffel Maya. Die arabischstämmige Polizistin Maya ist eigentlich perfekt in die israelische Gesellschaft integriert, ist mit einem Juden verheiratet. Aber die unterschiedliche Herkunft steht immer zwischen ihr und ihrem Mann. Und dann wird die Situation überaus kritisch, als Mayas Bruder unter Verdacht gerät.

„Fauda“ erinnert in dieser Perspektive, wie eine Gesellschaft durch eine tatsächliche wie vermeintliche Bedrohung von außen in ihren Gewissheiten, Überzeugungen und in ihrem Rechtsverständnis zu erodieren beginnt, an die US-Serie „Homeland“.

Der Netflix-Serienerfolg ist düster, beklemmend. Ein Ende der Eskalation kommt niemals in Sichtweite. Es gibt für diesen Krieg ohne Gewinner keine Lösung, vielleicht nur Erlösung für diesen und jene.

Und weil die Gewalt in Nahost kein Ende nimmt, nimmt auch „Fauda“ kein Ende. Netflix hat Staffel 5 angekündigt.