2:0-Heimsieg gegen den VfL Wolfsburg: Der 1. FC Union setzt sich an der Tabellenspitze fest

Die beste Nachricht des Tages kam schon eine Stunde vor dem Anpfiff, als Unions Startelf öffentlich wurde und der Name Timo Baumgartl darin auftauchte. Fünf Monate nach seiner Diagnose mit Hodenkrebs und 154 Tage nach seinem letzten Einsatz im Profifußball durfte der Verteidiger des 1. FC Union am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg seine lang ersehnte Rückkehr feiern.

„Ich habe mir diesen Moment ausgemalt während der Chemotherapie“, sagte er nach dem Spiel. „Ich möchte einfach den Menschen da draußen Hoffnung geben, die diesen Kampf kämpfen müssen. Ich bin ein Beispiel dafür, dass es geht, dass man schnell wieder zurückkommen kann. Ich kann’s wohl erst ein paar Tage später realisieren, was heute passiert ist. Ich glaube, ich werde heute Abend kaum schlafen.“ 

Schon beim Aufwärmen schallte sein Name von den Rängen. „Timo! Timo!“ riefen sie, als der Rückkehrer mit seinen Teamkollegen aus dem Spielertunnel kam. Als Stadionsprecher Christian Arbeit kurz vor Anpfiff die Aufstellung vorlas, wurde er lauter als jeder andere als „Fußballgott“ gefeiert. „Willkommen zurück Timo“, hieß es auf dem Banner, den die Ultras auf der Waldseite während der Vereinshymne hochhielten. Laut und emotional können sie in Köpenick gut: gerade auch in Zeiten wie diesen.

Union ist die einzig ungeschlagene Mannschaft in der Bundesliga

Denn die – zumindest aus Köpenicker Sicht – zweitbeste Nachricht stand mit Schlusspfiff auf der Anzeigetafel. Mit einem souveränen 2:0 Sieg gegen den VfL Wolfsburg verabschiedete sich Union am Sonntag in die Länderspielpause und ist damit mindestens für die nächsten zwei Wochen nach wie vor Tabellenführer in der Fußball-Bundesliga.

Nochmal zur Sicherheit: Der 1. FC Union Berlin ist Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Eigentlich ein ganz normaler Satz in der deutschen Sprache – und doch kann es immer noch keiner wirklich glauben. Es ist ein kleines Fußballwunder, das die Enttäuschungen in den ersten Europa-League-Wochen fast schon nebensächlich erscheinen lässt. Das neueste Märchen der parallelen Fantasiewelt, in die dieser Verein vor einigen Jahren hineingestolpert ist.

Rotation in Maßen nach Niederlage in der Europa League

Nach der Niederlage in Portugal am Donnerstag hatte Union-Trainer Urs Fischer eine „Rotation in Maßen“ angekündigt, und tatsächlich stellte er im Vergleich zum Spiel gegen Braga nur wenig um. Neben Baumgartl kehrte auch Kapitän Christopher Trimmel, der am Donnerstag auf der Bank begonnen hatte, wieder in die Startelf zurück.

Der Österreicher war auch direkt involviert, als Union schon nach 42 Sekunden zum ersten Abschluss kam. Nach einem Zuspiel von Trimmel konnte Janik Haberer Wolfsburgs Torwart Koen Casteels aber nicht aus der Ruhe bringen. Kurz danach schickte Sheraldo Becker verzog Sheraldo Becker einen Distanzschuss nur knapp.

Die beiden Berliner Torschützen: Jordan Siebtacheu (l.) und Sheraldo Becker.
Die beiden Berliner Torschützen: Jordan Siebtacheu (l.) und Sheraldo Becker.
© AFP/JOHN MACDOUGALL

Als die erste Halbzeit langsam ihren Rhythmus fand, ließ Unions frühe Spritzigkeit nach. Die müden Beine nach zwei Englischen Wochen waren den Berlinern anzumerken, auch, wenn die Wolfsburger sie nur selten unter Druck setzten. Die beste Chance der Gäste gab es in der 32. Minute, als Josip Brekalo den Ball nur knapp am langen Pfosten vorbeischoss.

Ähnlich schnell wie in der ersten Halbzeit kamen die Berliner nach der Pause aus den Startlöchern und verpassten nach einer schönen Kombination zwischen Andras Schäfer und Jordan Siebatcheu im Strafraum nur knapp die Führung. Zwei Minuten später hatte Siebatcheu wieder das 1:0 auf dem Fuß, konnte aber Beckers flache Flanke nur zu den Fans auf der Waldseite befördern.

Im dritten Versuch hatte er mehr Glück. In der 55. Minute schickte Becker von links wieder einen gefährlichen Ball in den Strafraum, und diesmal lenkte ihn Siebatcheu mit einem elegant platzierten Kopfball an Casteels vorbei.

Harmlose Wolfsburger Offensive

Wenig später verabschiedete sich Baumgartl. Nach einer knappen Stunde war der durchaus gelungene Nachmittag vorbei für den 26-Jährigen, der für Paul Jaeckel ausgewechselt wurde und unter stehenden Ovationen den Platz verließ. „Wir haben ihn ein bisschen ins kalte Wasser geworfen. Er hat ein gutes Spiel gemacht, auch wenn der eine oder andere Wackler dabei war. Aber es freut mich unheimlich für ihn“, sagte Fischer nach dem Spiel..

Baumgartls Kollegen waren hingegen noch nicht ganz fertig und nach Halbchancen für Niko Gießelmann und Morten Thorsby machte Becker den Deckel drauf. Nach einem gechippten Zuspiel von Paul Seguin setzte sich der Surinamer im Eins-gegen-eins gegen Casteels durch.

Danach wurde im Stadion gespottet. „Ohne Kruse habt ihr keine Chance“ sangen sie auf der Gegengerade. Doch vor allem überwog in der Köpenicker Abendsonne die pure Euphorie. Union war Spitzenreiter und unten in den Katakomben gab es nur lachende Gesichter. Als Baumgartl zum Schluss noch gefragt wurde, was ihm auf dem Rückweg zu seiner alten Form noch fehlt, verabschiedete er sich mit einem Witz: „Außer meinen zweiten Hoden, meinst Du?“

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