130 Millionen Euro weniger für Berlins Kultur: „Sie bedrohen das Herz der Stadt“

Nun sind auch die Kulturkürzungen im Berliner Landeshaushalt beschlossene Sache. Mit der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes für 2025 am Donnerstagmittag bleibt es bei den mehr als 130 Millionen Euro Einsparungen bei der Kultur. Es bleibt auch dabei, dass mit gut 12 Prozent des ursprünglich geplanten Etats hier mehr eingespart wird als in anderen Ressorts wie der Justiz oder der Innenverwaltung.

Und es bleibt dabei, dass einzelne Kürzungen etwa bei den Kinder- und Jugendtheatern zurückgenommen oder abgemildert wurden. Aber die „Konsolidierung“ hat drastische Folgen für die Institutionen und Kulturschaffenden. Offen bleibt vorerst auch die Frage, wie die Sanierung der Komischen Oper finanziert werden soll.

Bei seiner Regierungserklärung machte Kai Wegner am Donnerstag im Abgeordnetenhaus immerhin eine deutliche Bemühenszusage. „Ich bin mir sicher, dass wir die Sanierung des Gebäudes der Komischen Oper in Mitte fortsetzen“, sagte der Regierende Bürgermeister, ohne auf die Frage der Finanzierung einzugehen. Laut Senatsverwaltung sollen die Details dazu in Gesprächen zwischen den Ressorts erarbeitet werden, die dem Vernehmen nach nicht vor Januar stattfinden.

Die Intendanz der Komischen Oper, Susanne Moser und Philip Bröking, versteht Wegners Äußerungen als Bekenntnis zur Weiterführung der Sanierung. Jetzt müsse der politische Wille umgesetzt werden, erklärten sie. Je schneller der Bau fertig werde, desto mehr entlaste das den Steuerzahler.

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Im Parlament hatte Wegner noch einmal einen Mentalitätswechsel auch in der Kultur eingefordert, mehr Wirtschaftlichkeit und Eigenverantwortung verlangt. Oppositionspolitiker:innen kritisierten die schwarz-rote Regierungskoalition dafür scharf, etwa für die Abschaffung des eintrittsfreien Museumssonntags. Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch sprach von „planlosen“ Kürzungen. Im „Zeit online“-Interview zeigte sich auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth verärgert über „die Brutalität, mit der in Berlin vorgegangen wird“. Dies sei wohl Ausdruck einer anderen Vorstellung von Kulturpolitik.

Die Aufforderung von Kultursenator Joe Chialo, die Einrichtungen müssten wirtschaftlicher arbeiten, nannte die Grünen-Politikerin anmaßend. „Schauen Sie sich Institutionen wie die Berliner Philharmoniker an. Dort gibt es nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine Managementkompetenz, die den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Und nicht nur dort“.

In einem gemeinsamen Statement zeigten sich am Donnerstag auch die Kultureinrichtungen erneut bestürzt. „Der Senat nimmt dem kulturellen Leben in der Stadt die Luft“, heißt es in der Erklärung, die von den Intendanzen der Opernhäuser, der großen Bühnen, der Kinder- und Jugendtheater, der Philharmonie, des Konzerthauses, der Rundfunk Orchester und Chöre Gmbh und des HAU unterzeichnet wurde. Die Kürzungen bedrohten das Herz der Stadt. „Sie gefährden Arbeitsplätze, reduzieren künstlerische Angebote und schwächen die kulturelle Teilhabe der Berliner Bevölkerung. Sie werden Touristen abhalten, die Stadt zu besuchen.“

Die schwierige Haushaltslage des Landes erkenne man an, aber die Einsparungen müssten mit Augenmaß erfolgen. Kultur dürfe nicht zur Nebensache werden, deshalb gelte es, jetzt gemeinsam zu kämpfen.

Inzwischen wird immer deutlicher, welche Folgen die Kürzungen haben. Bereits Anfang Dezember sagte das Konzerthaus ein Festival für Februar ab, die Schaubühne schließt ihre Studiobühne und hat die Ticketpreise ab Januar teilweise verdoppelt. Am Donnerstagabend teilt die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit, ihre Sparvorgabe von zwei Millionen Euro bedeute rechnerisch, den künstlerischen Etat etwa für Regieteams, Gastschauspieler und Vorstellungen auf null zu setzen. Der unverhältnismäßige Einschnitt lasse den Schluss zu: „Die Volksbühne soll aufs Abstellgleis gesetzt werden“. Nach dem plötzlichen Tod des Intendanten René Pollesch ist die Zukunft des Hauses ohnehin ungewiss: Die für 2027 designierte Intendanz, das Regie-Duo Vegard Vinge/Ida Müller, hatte Anfang Dezember abgesagt.

Man erwäge nun, so die Künstlerische Betriebsdirektorin Celina Nicolay, 2025 auf mindestens zwei Neuproduktionen zu verzichten, frei werdende Stellen nicht nachzubesetzen und die Anzahl der Vorstellungen zu reduzieren. Was eine Minderung der Einnahmen zur Folge habe, die durch womöglich höhere Ticketpreise ausgeglichen werden müssten, was wiederum einen erschwerten Zugang für breite Teile der Bevölkerung bedeute. Auch die Compagnie Sasha Waltz & Guests (200.000 Euro weniger) beklagt die „volle Wucht der Kurzfristigkeit und extreme Härte“. 2025 könne weder die geplante Neuproduktion noch eine größere Wiederaufnahme durchgeführt werden. Das Ensemble, das 40 Prozent seiner Einnahmen selbst erwirtschaftet, sieht sich außerdem als Ensemble- und Repertoirebetrieb in seiner Existenz bedroht, sollte es weitere Kürzungen in den Folgejahren geben.

Zwei Exempel für den Teufelskreis, in den auch andere Häuser geraten werden.

Kleinere Einrichtungen trifft es ebenfalls hart. So teilte etwa das Schwule Museum mit, dass ihm trotz Beibehaltung der institutionellen Förderung durch den Wegfall der Jugendkulturinitiative und des Resilienz-Dispatcher-Programms wichtige Ressourcen fehlen. 87.000 Euro weniger: Zwei Museums-Mitarbeiter verlieren ihre Stellen, Freischaffende verlieren Aufträge.

Ein Beispiel von vielen. Ab Januar werden sich solche Nachrichten häufen.