Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 38): Treffen sich zwei dicke B
Die Sache mit dem Sampling ist ja eine uralte Kulturtechnik. Da braucht man sich nur Mozarts „Don Giovanni“ anzuschauen. In der vorletzten Szene der Oper wartet der Titelheld darauf, dass der tote Vater einer seiner vielen Geliebten – den er in der Eröffnungsszene erstochen hat – bei ihm zum Abendessen erscheint. Die Einladung dazu wurde nächtens auf dem Friedhof ausgesprochen.
Wie sich für einen Adligen gehört, wird bei Don Giovanni Tischmusik gemacht: Zuerst erklingt ein Zitat aus der damals sehr bekannten Oper „Una cosa rara“ des inzwischen komplett vergessenen Komponisten Vicente Matrin y Soler, dann ein Ausschnitt aus „I Litiganti“ eines gewissen Giuseppe Sarti, schließlich eine Arie aus Mozarts eigenem „Figaro“, was Don Giovannis Diener mit den Worten kommentiert: „Diese Stück kenne ich leider nur allzu gut“.
Alle diese Samples sind eingewoben in Mozarts eigene Partitur. Und nicht anders machen es heute die Produzenten von Rap-Tracks: Ein Fetzchen fremder Musik wird ausgewählt, eingefügt, vorzugsweise als Opener der Sprechgesangnummer, und taucht dann akustisch ab, in den Hintergrund des Beats.
Und so wie Klassik-Nerds Spaß daran haben, in der Partituren der alten Meister Anspielungen auf die Werke anderer Komponisten zu entdecken, streben auch viele Rap-Fans danach, die Ursprünge der Samples ihrer Lieblingsstücke aufzudecken. Im Internet kursieren jede Menge Listen mit Verwiesen auf die jeweiligen Originale.
Dass Bushido sein „Black Friday“ mit einer Melodie von Brahms eröffnet, ist jetzt meinem Sohn aufgefallen – der sich nämlich, zu meiner Freude, für sehr viele verschiedene Musikstile begeistert. Was da zu Beginn des Raps erklingt, schrieb er mir per Whatsapp aus dem Urlaub, sei doch eindeutig ein Motiv vom Beginn des 1. Satzes der 1. Sinfonie von Johannes Brahms. Nur eben von Streichern gespielt statt der originalen Oboe. Bis jetzt blieb das in der Community unentdeckt.
Brahms und Bushido, da treffen sich zwei dicke B: Mehr sollte man als Rap-ferner Klassikliebhaber von „Black Friday“ allerdings auch nicht wissen wollen. Denn die Lyrics sind extrem explizit, der Text strotzt nur so von absichtsvoll gewählten Reizworten. Der harmloseste Vers lautet: „Hier rappen 20 Jahre Relevanz – ich piss‘ auf eure Köpfe und ihr Trottel macht nen Regentanz.“