Suat Serdar trifft wie einst im Juli

Das vermutlich wichtigste Tor, das Suat Serdar für Hertha BSC erzielt hat, ähnelte zumindest in der Entstehung seinem mutmaßlich schönsten Tor für Hertha BSC. Beide Male kam der Ball von der rechten Seite in den Strafraum.

Am Samstag, bei seinem wohl wichtigsten Tor für Hertha war es Marco Richter, der von rechts in den Fünfmeterraum des FC Augsburg passte. Der Ball kam flach, ein bisschen in den Rücken von Serdar, der diese Herausforderung allerdings auf denkbar eleganteste Weise löste. Herthas Mittelfeldspieler beförderte den Ball mit der Hacke und durch die Beine des Augsburger Torhüters Rafal Gikiewicz zum 1:0-Siegtreffer für den Berliner Fußball-Bundesligisten über die Linie.

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Serdars schönstes Tor war noch ein bisschen spektakulärer anzuschauen. Da verschaffte er sich bei der Ballan- und -mitnahme den entscheidenden Vorteil. Der Winkel war schon recht spitz, als Serdar den Ball aus der Luft nahm ihn mit Wucht und Präzision unter die Latte hämmerte.

Der Treffer im Testspiel gegen den großen FC Liverpool in der Saisonvorbereitung war nicht nur schön, er war leider auch ein bisschen irreführend. Sowohl in Bezug auf Suat Serdar, der vom Absteiger Schalke 04 gekommen war, als auch auf Hertha im Allgemeinen. Das 4:3 gegen den Spitzenklub aus England hat die Einschätzung der eigenen Stärke vermutlich etwas vernebelt.

Serdar wiederum war nicht nur wegen dieses Tores so etwas wie die Entdeckung des Saisonstarts. Der erste Eindruck in neuer Umgebung gab Anlass zu schönsten Hoffnungen. Acht Millionen Euro hatte Hertha für ihn ausgegeben. Gut angelegtes Geld, schien es. Serdar, den der Abstieg mit Schalke hart getroffen hatte, blühte wieder auf. Er war präsent, aktiv, auffällig.

Ein Sinnbild für Herthas komplizierte Saison

„Er muss das in den Spielen noch mehr rüberbringen und sich noch stabilisieren“, hat Herthas Sportchef Fredi Bobic im Herbst über Serdar und seine Fähigkeiten gesagt. „Dann ist sein Weg eigentlich sehr goldig.“ Aber genau daran – an Stabilität – mangelte es. Und so ist Suat Serdar im Grunde zu einem Sinnbild für diese wieder mal extrem komplizierte Saison von Hertha BSC geworden.

„Suat ist ein überragender Fußballer“, sagte Marco Richter nach dem Sieg in Augsburg. Doch um das stabil zu zeigen, benötigt Serdar ein geordnetes und möglichst harmonisches Umfeld. Genau das aber hat er weder am Ende bei Schalke gehabt, noch in den vergangenen Wochen in Berlin. Bei Hertha wurde er vom potenziellen Anführer mehr und mehr zum Mitläufer. Dass Serdar – egal unter welchem Trainer – nur selten auf seiner angestammten Position spielen durfte, hat dabei nicht unwesentlich zu den Irrungen beigetragen.

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Der frühere deutsche Nationalspieler, der im September 2020 das letzte seiner vier Länderspiele bestritten hat, ist ein sogenannter Box-to-Box-Spieler. Einer, der sich mit Dynamik zwischen den Strafräumen bewegt, über eine saubere Technik verfügt und torgefährlich ist. Bei Hertha aber hat Serdar nur selten auf seiner Lieblingsposition gespielt; meist wurde er auf dem Flügel, sowohl rechts als auch links, aufgeboten.

In Augsburg war Serdar einer von fünf Neuen in Herthas Startelf. Nachdem Trainer Felix Magath bei seinen Personalentscheidungen zuletzt nicht immer die glücklichste Hand gehabt hatte, war das diesmal anders. Das galt nicht nur für Serdar, den Siegtorschützen, sondern auch für Kevin-Prince Boateng und für Marco Richter. Alle drei waren im Sommer mit großen Erwartungen verpflichtet worden, hatten in jüngerer Vergangenheit aber kaum noch eine Rolle gespielt.

Boateng war der Chef im Ring

Boateng hatte vor exakt einem halben Jahr zuletzt in der Startelf gestanden. In Augsburg aber war er gleich der Chef im Ring. „So eine Figur haben wir gebracht“, sagte Magath. „Er ist ein Spieler, der Verantwortung übernimmt, der Selbstvertrauen hat und der auf dem Spielfeld organisiert.“ In der 69. Minute wurde Boateng, 35 inzwischen, ausgewechselt. So lange hatte er in keinem seiner bisherigen 14 Saisonspiele auf dem Platz gestanden.

Marco Richter bereitete beim Sieg gegen seinen Ex-Klub Serdars Treffer zum 1:0 vor, nachdem er es gewesen war, der zuvor schon den Ball erobert hatte. Für ihn war es die erste Torbeteiligung in der Rückrunde. Serdar hatte sogar noch länger warten müssen. Am vierten Spieltag, beim 3:1 in Bochum, hatte er zuletzt getroffen, damals sogar zweimal.

Die Tore waren kaum minder wichtig als das gegen den FCA – weil sie Hertha nach drei Niederlagen zu Saisonbeginn den ersten Sieg der Spielzeit bescherten. In Augsburg nun machte Serdar das wahr, was Felix Magath ihm zu Beginn der Woche versprochen hatte. Nachdem die Mannschaft ihm am vergangenen Montag ein Ständchen zum 25. Geburtstag gesunden hatte, fragte er Trainer ihn, was er sich denn wünsche. „Lasst uns gut trainieren und den Sieg holen, die wichtigen drei Punkte“, antwortete Serdar. „Das machen wir für dich, Suat“, sagte Magath.