1. FC Union zittert und feiert sich auf Platz fünf
Urs Fischer suchte gerade vergeblich nach Worten für die außergewöhnliche Leistung, die ihm mit seinen Spielern in dieser Saison gelungen ist, als sich plötzlich die Tür öffnete. Seine gesamte Mannschaf stürmte die Pressekonferenz und verpasste ihrem Trainer bereits die zweite Bierdusche des Tages. Nach der Qualifikation für die Europa League gab es beim 1. FC Union am Samstagnachmittag kein Halten mehr und Fischer war auch nach der unfreiwilligen Erfrischung nicht wirklich erfolgreich bei der Wortfindung. „Wahnsinn, fantastisch, außergewöhnlich“, versuchte es der Trainer. „Aber auch auf Schweizerdeutsch gibt es nicht das eine Wort, das diese Situation beschreibt.“
Es war mal wieder ein denkwürdiger letzter Spieltag im ausverkauften Stadion An der Alten Försterei. Die Fans hatten schon lange vor Anpfiff damit begonnen, diese herausragende Saison feierlich zu verabschieden. Zur Halbzeit führten die Berliner 2:0 gegen einen harmlosen VfL Bochum, der 1. FC Köln lag im Parallelspiel zurück, was sollte da noch schiefgehen? Doch in der 79. Minute verstummte das Stadion nach dem Bochumer Ausgleich.
Plötzlich zitterte Union wieder um die Europa League und die Fans spürten, dass die Mannschaft wackelte. Sie schalteten von dem Feier- in den Anfeuermodus. „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen“, schallte es von den Rängen über den Rasen. Und Union kämpfte und siegte. Kurz vor Schluss erzielte Taiwo Awoniyi das erlösende Tor. Durch das 3:2 (2:0) gegen Bochum vor 22 012 Zuschauern schließen die Berliner die Bundesliga-Saison als Fünfter ab. „Das ist unfassbar für einen Verein wie Union Berlin“, sagte Grischa Prömel nach seinem letzten Spiel für den Klub.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Als die Europa-League-Qualifikation mit dem Abpfiff feststand, stürmten allen Bitten des Vereins zum Trotz ein paar Hundert Fans auf den Rasen und lieferten sich teilweise handfeste Auseinandersetzungen mit dem Sicherheitspersonal. Vielen Zuschauern auf den Tribünen gefiel das gar nicht und sie riefen: „Wir sind Unioner und ihr nicht“. Der großen Partystimmung schadete das aber nur kurz. Später ging es wie in der vergangenen Saison auf den Stadionbalkon, wo Spieler und Trainer von Tausenden Fans auf dem prall gefüllten Parkplatz bejubelt wurden.
Der Spieltag endete jedoch nicht nur emotional, er begann auch so. Vor Anpfiff wurden mit Bastian Oczipka, Anthony Ujah, Suleiman Abdullahi, Jakob Busk und Prömel fünf Spieler verabschiedet. Besonders Prömel wurde ausgiebig gefeiert. Nach dem Anpfiff dauerte es nicht lange, bis etwas passierte, was man vermutlich jedem Drehbuchautor als übermäßigen Kitsch herausgestrichen hätte. Genki Haraguchi flankte perfekt in den Strafraum und dort stand, genau, Prömel. „So ein Empfang von den Fans, dann das 1:0. Heute ist mein Tag“, sagte der Mittelfeldspieler, der in der kommenden Saison für die TSG Hoffenheim spielen wird.
Die Berliner hatten in der ersten Hälfte alles im Griff. Für die Bochumer ging es am Ende einer sehr erfolgreichen Saison um nichts mehr und das war ihnen anzumerken. Erst in der Nachspielzeit bekam der VfL den ersten Torschuss zustande, dabei stand Takuma Asano jedoch im Abseits.
Bochum spielte den Partycrasher, aber nur kurz
Union hatte zu diesem Zeitpunkt bereits auf 2:0 erhöht. Der zuletzt überragende Sheraldo Becker musste mit Schmerzen am Sprunggelenk schon früh ausgewechselt werden und sein Ersatzmann Sven Michel war mal wieder nach wenigen Minuten an einem Tor beteiligt. Nach Ablage von Prömel schoss er aus 17 Metern, der Bochumer Robert Tesche blockte und nach einem kurzen Kontakt mit dem Videoassistenten lief Schiedsrichter Marco Fritz zur Seitenlinie, um sich die Szene noch einmal anzuschauen. Dabei erkannte er ein Handspiel des Bochumers und entschied auf Elfmeter. Awoniyi verwandelte in die linke Ecke.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Die ohnehin schon gute Laune der Fans wurde nun noch ausgelassener, sie hüpften und sangen von Europa. Mit der Wucht des Publikums konnten die 22 Männer auf dem Feld nicht mithalten. Es war zwar kein lauer Sommerkick, doch viel Nennenswertes passierte nicht. Der einzige Aufreger waren zwei Fouls von Michel in kurzer Folge. Die Bochumer forderten einen Platzverweis, doch Unions Stürmer kam mit einer Gelben Karte und einer strengen Ermahnung davon. Sein Trainer beließ es nicht bei ernsten Worten und wechselte Michel zur Pause aus.
Nach Wiederanpfiff nahm das Geschehen neues Tempo aus. Awoniyi traf das Außennetz, Asano verfehlte das Tor ebenfalls nur knapp. Den Gästen war nun anzumerken, dass sie nicht nur Statisten bei der großen Union-Party sein wollten und das wurde belohnt. Köln hatte mittlerweile ebenfalls ausgeglichen und in Köpenick begann das große Zittern. Bis Awoniyi erneut traf und die rot-weiße Party ihren Lauf nahm.