1. FC Union besiegt Hertha BSC sicher mit 3:1

Die Fans auf der Haupttribüne erhoben sich. Sie klatschten, während Jordan Siebatcheu auf dem Feld Abschied nahm. Als erster lief ihm sein früherer Berner Kollege Wilfried Kanga über den Weg, der an diesem Nachmittag ein blaues Trikot trug. Siebatcheu schüttelte ihm die Hand, rammte seine Brust gegen Kangas und verließ den Rasen. Unter dem lauten Applaus der Fans – und als frischer Derbyheld.

Der neue Stürmer des 1. FC Union, Nachfolger von Taiwo Awoniyi, hatte nach einer halben Stunde sein erstes Bundesligator erzielt. Und das gleich im Derby gegen Hertha BSC. Besser geht’s kaum. Zumal der Nachmittag für Siebatcheu und Union mit einem verdienten 3:1 (1:0)-Erfolg zu Ende ging. „Stadtmeister, Stadtmeister, Berlins Nummer eins“, sangen die Fans in Rot und Weiß.

„Ich mag das Wort Stadtmeister“, sagte Kapitän Christopher Trimmel. „Das motiviert, das stachelt an.“ Inzwischen sind die Köpenicker, der einstige Herausforderer der großen Hertha, schon fast so etwas wie Serienstadtmeister. Sie feierten ihren vierten Derbysieg hintereinander, aber auch den ersten Auftaktsieg seit ihrem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga vor drei Jahren..

Für Hertha hingegen beginnt die Spielzeit maximal ungemütlich: Dem Erstrundenaus im DFB-Pokal am vergangenen Sonntag folgte nun die deutliche Niederlage beim Lokalrivalen. Die einstige Nummer eins der Stadt war Union in jeder Hinsicht unterlegen. „Wir waren heute nicht da“, sagte Torhüter Oliver Christensen.

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Umso erstaunlicher, dass der blau- weiße Anhang in der Alten Försterei seine Mannschaft nach dem Schlusspfiff mit freundlichen Gesängen und aufmunternden Rufen verabschiedete. „Was die Fans im Umgang mit diesem Spiel gezeigt haben, das war herausragend“, sagte Trainer Sandro Schwarz. Von seiner Mannschaft ließ sich das definitiv nicht behaupten.

Beide Berliner Mannschaften hatten vor einer Woche im Pokal nicht unbedingt geglänzt. Die einen (Hertha) noch ein bisschen weniger als die anderen (Union). Trotzdem nahm Trainer Urs Fischer bei Union doppelt so viele Veränderungen an seiner Startelf vor wie Schwarz. Diogo Leite verteidigte anstelle von Dominique Heintz in der Dreierkette, links spielte für Niko Gießelmann der Norweger Julian Ryerson – weil Fischer mehr Geschwindigkeit im Team haben wollte.

Schwarz reagierte vor allem auf die Defensivschwächen beim Pokalaus in Braunschweig. Der frühere Kapitän Dedryck Boyata stand nicht einmal im Kader. „Es war eine sportliche Entscheidung“, sagte Herthas Trainer. Den Platz des Belgiers nahm Neuzugang Filip Uremovic ein.

Hertha-Präsident Kay Bernstein versank im Laufe des Spiels immer tiefer in seinem Stuhl.Foto: Reuters/Annegret Hilse

Doch auch mit veränderter Abwehr geriet Hertha gleich in arge Schwierigkeiten. In den ersten fünf Minuten stürzten die Gäste von einer Schwierigkeit in die nächste. Hertha schwirrte gehörig der Kopf. Danach beruhigte sich das Geschehen erst einmal, weil sich Union ein wenig zurückhielt, ohne dass die Gäste davon in irgendeiner Weise profitieren konnten. „Es war ein schweres Spiel, weil wir keine Lösungen hatten und keine Räume gefunden haben“, sagte Dodi Lukebakio, Herthas Offensivspieler. Den Gästen fiel wenig ein, ihr Spiel wirkte arg statisch und war damit nicht geeignet, die gewohnt gut organisierte Defensive Unions allzu sehr zu beunruhigen.

„Wir haben’s einfach gut gespielt”, sagte Christopher Trimmel. „Wenn du den Matchplan des Trainerteams perfekt umsetzt, dann gewinnst du solche Spiele.“ Herthas Offensive fand kaum statt, aus dem Mittelfeld mangelte es den Gästen sowohl an Ideen als auch an Dynamik. „Im Großen und Ganzen war das kein guter Auftritt meiner Mannschaft“, sagte Schwarz. Union sei in vielen Bereichen besser, griffiger und galliger gewesen. Ein Lob, das nicht nur die Realität treffend abbildete, sondern auch Unions Trainer Fischer sichtlich freute.

Der Schweizer konnte an diesem Nachmittag mit vielem zufrieden sein, auch mit der Entscheidung, Ryerson auf links aufgeboten zu haben. „Er hat es sehr gut gemacht“, sagte Fischer. Nach einer knappen halben Stunde zwang Ryerson Herthas Torhüter Christensen mit einem platzierten Schuss Richtung Winkel zum Eingreifen, unmittelbar vor der Pause wäre ihm beinahe das 2:0 gelungen.

Jordan Siebatcheu brachte Union mit seinem Kopfball-Tor auf die Siegerstraße

Irgendwo dazwischen lag Unions Führungstreffer. Sheraldo Becker konnte unbedrängt von links flanken, weil Jonjoe Kenny ihm allzu viel Platz ließ. Jordan Siebatcheu lief in Richtung erster Pfosten und erwischte den Ball mit dem Kopf vor Herthas Innenverteidiger Marc Kempf. „Man sieht, sie harmonieren schon einigermaßen“, sagte Christopher Trimmel über das Sturmduo in neuer Besetzung.

Ein Tor im Pokal, eins in der Liga. Für Siebatcheu hätte es als Nachfolger von Taiwo Awoniyi schlechter laufen können. Dass Union große Probleme mit der Umstellung von Awoniyi zu Siebatcheu bekommt, das glaubt Trimmel nicht: weil der US-Amerikaner ein ähnlicher Stürmertyp ist wie Awoniyi. „Er sichert die Bälle auch gut und ist in der Box sehr zielstrebig“, erklärte Trimmel.

Gleich nach der Pause wäre Siebatcheu beinahe der nächste Treffer gelungen, doch Christensen parierte seinen Kopfball. Auch nach dem Wiederanpfiff war der 1. FC Union wacher, entschlossener, gefährlicher. Der entscheidende Unterschied zur ersten Hälfte: Diesmal nutzte er seine Überlegenheit schon früh für einen weiteren Treffer. Der starke Janik Haberer, in diesem Sommer aus Freiburg gekommen, überspielte mit einem klugen Pass Herthas Abwehr, Becker lief seinem Bewacher Uremovic davon und überwand Christensen im Tor zum 2:0.

Choreo der Union-Fans vor dem Spiel.Foto: dpa/Andreas Gora

Schwarz reagierte und instruiere gleich drei Spieler zu ihrer Einwechslung, doch noch bevor die Wechsel vollzogen werden konnten, hieß es bereits 3:0 für Union. Nach Trimmels Ecke setzte sich Unions Innenverteidiger Robin Knoche per Kopf gegen Boateng durch, der Ball flog hart neben dem Pfosten ins Tor. Christensen, obwohl leicht irritiert von Rani Khedira, sah in dieser Szene alles andere als gut aus. „Den Ball muss ich halten“, sagte er.

Der Linienrichter hatte wegen Khediras Eingreifen zunächst seine Fahne gehoben. Die Begutachtung durch den Videoassistenten ergab allerdings, dass keine Abseitsposition vorgelegen hatte – der Treffer zählte.

Erst nach dem 0:3 brachte Schwarz mit Stevan Jovetic, Ejuke Chidera und Wilfried Kanga drei neue Offensivkräfte. Doch mehr als das 1:3 durch Dodi Lukebakio gelang seiner Mannschaft nicht mehr. Fünf Minuten waren da noch zu spielen. Zu wenig für eine echte Wende. Und insgesamt zu wenig, um sich gegen den deutlich überlegenen Lokalrivalen Union behaupten zu können.

So euphorisch das Publikum, so nüchtern die Beteiligten. „Das Ziel ist der Klassenerhalt“, sagte Christopher Trimmel nach dem Derbysieg. „Wir haben den ersten Schritt getan.“ Nichts anderes als der Klassenerhalt dürfte – realistisch betrachtet – auch bei Hertha das Ziel sein. Mit dem ersten Schritt aber tut sich die Mannschaft von Sandro Schwarz weiterhin schwer.