Wofür steht eigentlich Tayfun Korkut?
In schwierigen Zeiten wie diesen ist es vermutlich nicht verkehrt, erst einmal ein Zeichen zu setzen. Das ist auch bei Tayfun Korkut so, der seit Montag neuer Cheftrainer des Berliner Fußball-Bundesligisten Hertha BSC ist. Bevor er am Dienstagnachmittag seine erste Trainingseinheit leitet, kommen seine Spieler in kompletter Mannschaftsstärke den Weg von der Kabine herüber. Es gibt keine Gruppen oder Grüppchen mehr. Es gibt nur noch Hertha BSC.
Pünktlich zum Trainingsbeginn um kurz nach zwei hat es aufgehört zu regnen. Aber der Wind bläst mehr als ordentlich aus westlicher Richtung. Die Bäume biegen sich, es rauscht, die Plastikdummys auf dem Trainingsplatz haben Schräglage, und das letzte Laub wird durch die Luft gewirbelt.
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„Kalt“, sagt Korkut, als er nach der ersten Einheit den Platz verlässt. Und fügt dann noch ein bisschen bedauernd hinzu: „Ich habe keine lange Unterhose angezogen.“ Ja, man unterschätzt schnell, wie unwirtlich es im aufziehenden Winter auf dem Olympiagelände am Rande der City-West zugehen kann.
Auch bei Hertha BSC ist die Situation im Moment mal wieder alles andere als gemütlich. Deshalb leitet jetzt Korkut, 47, das Training, und nicht mehr Pal Dardai, der am Montagmorgen von seinen Aufgaben entbunden worden ist. Dardais Nachfolger bleibt eine knappe Woche, um sich einen Überblick zu verschaffen von der Stärke seines Kaders und um sein Team auf das erste Spiel am Sonntag beim VfB in seiner Heimatstadt Stuttgart vorzubereiten.
Als Korkut vor knapp acht Jahren, bei seinem Trainerdebüt im deutschen Profifußball, sein erstes Training bei Hannover 96 leitete, schauten ihm 7000 Menschen dabei zu. Am Dienstag in Berlin sind ein paar Journalisten, Kamerateams und Fotografen gekommen. Ein Vater und sein Sohn gesellen sich später noch dazu. Sie waren in Herthas Fanshop einkaufen und sind eher zufällig hier gelandet.
Korkut hatte prominente Lehrmeister
Vor acht Jahren in Hannover war Korkut noch der große Unbekannte, auf den alle einfach sehr neugierig waren. Ein bisschen ist er das immer noch, der große Unbekannte, nachdem er zuletzt mehr als drei Jahre raus aus dem Geschäft war. Wofür steht Tayfun Korkut? Ist er ein guter Trainer, der zuletzt nur zur falschen Zeit bei den falschen Klubs gearbeitet hat? Oder ist er das nicht, wie es die geringe Halbwertszeit bei den meisten seiner Stationen vermuten lässt?
Korkut hat in seiner aktiven Zeit zumindest unter einigen namhaften Trainern gespielt, unter dem Brasilianer Carlos Alberto Parreira, unter Javier Clemente und Vicente del Bosque und unter Joachim Löw natürlich. Diese Erfahrungen haben ihn geprägt, genauso wie seine Zeit als Spieler bei den spanischen Erstligisten Real Sociedad San Sebastian und Espanyol Barcelona. Als Trainer in Hannover hat er damals mit dem erklärten Ziel angefangen, aus 96, einer reinen Kontermannschaft, eine Ballbesitzmannschaft zu machen.
Inzwischen ist Korkut in dieser Frage weit weniger dogmatisch. „Es gibt keinen perfekten Fußball à la Korkut“, hat er später einmal gesagt. Auch bei seiner Vorstellung in Berlin hat er sich eher pragmatisch gegeben, gar nicht mal so grundverschieden zu Pal Dardai. Seine Philosophie? „Der Ansatz ist immer gleich“, antwortete er. „Spiele gewinnen, erfolgreich Fußball spielen.“ Es gebe verschiedene Arten und Weisen, sagte er. „In meiner Vergangenheit habe ich schon einige spielen lassen.“
Korkut orientiert sich am Machbaren
Vielleicht prädestiniert ihn diese Haltung gerade für einen Job wie jetzt bei Hertha. Mitten in der Saison einspringen, ohne die Möglichkeit, an der Struktur des Kaders großartig etwas zu verändern, sondern mit dem auskommen, was man vorfindet. „Letztendlich ist es ganz wichtig, was für Spieler wir haben, was die Spieler können“, sagt Korkut. „Der Ansatz war immer, dass wir die Stärken der Spieler auf den Platz bekommen. Die Spieler müssen sich wohl fühlen. Sie brauchen ein gutes Gefühl in der Grundordnung und in der Systematik.“
Pal Dardai, sein Vorgänger bei Hertha, hat gerne auf Vergleiche aus der Tierwelt zurückgegriffen. Auch Korkut hat bei seiner Präsentation einen gewählt. „Man muss ein Stück weit Chamäleon werden als Trainer“, hat er gesagt. Also sich seiner Umwelt anpassen, seine eigenen Ideale nicht über die Realität stellen, nicht zwingend Farbe bekennen, nur um aufzufallen. „Wer mich kennt, weiß, dass mir die Organisation einer Mannschaft unheimlich wichtig ist“, sagt Korkut.
Die erste Trainingseinheit gibt höchstens indirekt Aufschlüsse über seine Ideen für das Spiel am Sonntag. „Das Einzige, was ich will: Fordert die Kugel!“, sagt er zu Beginn einer Übung. Und dann später noch einmal: „Schaut, dass ihr die Kugel wollt. Wollen. Wollen. Wollen.“ Recht intensiv geht es zu, mit vielen Zweikämpfen und viel Tempo.
Knapp 80 Minuten dauert die erste Einheit. Dann verlassen die Spieler grüppchenweise das Feld. Tayfun Korkut geht als Letzter, an der Seite von Dedryck Boyata, Herthas Kapitän.