Wir pumpen die Bälle noch selbst auf
Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen ist vor knapp einem Monat zu Ende gegangen. Die große Frage, die sich nach dem Finale stellte, war, wie viel von dem Hype um das DFB-Team übrig bleiben würde. Nun rollt der Ball wieder, zumindest im DFB-Pokal. In der ersten Runde, die am Samstag startete und am Montagabend mit dem letzten Spiel zu Ende geht, fehlten allerdings zunächst noch die ganz großen Namen.
Die Teams der ersten Bundesliga wie Wolfsburg oder Bayern und weitere vier Teams aus der zweiten Liga besitzen ein Freilos und steigen demnach erst später in den Wettkampf ein. Dadurch fehlen in der ersten Runde die ganz großen Pokalsensationen, doch für viele kleine Vereine bietet sich so die Chance auf ein großes Highlight.
Wie für den Eimsbütteler TV (ETV), für den ich seit einem halben Jahr selbst auf dem Platz stehe. Das Spiel am Sonntag war für uns wie für unseren Gegner, den Berliner Regionalligisten Türkiyemspor, der erste Auftritt überhaupt im DFB-Pokal. Ich musste zunächst auf der Bank Platz nehmen und durfte noch nicht selbst ins Spielgeschehen eingreifen.
Das Heimrecht wurde bei gleich hoher Ligazugehörigkeit den Berlinerinnen zugelost. Im Endeffekt keine schlechte Wahl, denn das Katzbachstadion, das mitten in Kreuzberg gelegen ist, eignet sich mit seinen zwei Tribünen perfekt als Kulisse im DFB-Pokal.
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Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Fußballteams der Frauen die Möglichkeit haben, in einem Stadion zu spielen, das solch eine Infrastruktur aufweist. Bei meinem Verein in Hamburg gibt es nur Stehplätze, die eigentlich keine sind, direkt hinter dem Geländer an der Seitenauslinie.
Nur ein Spiel wird per Livestream übertragen in der ersten Runde
Im Katzbachstadion, das seit einigen Jahren offiziell Willy-Kressmann-Stadion heißt, waren die Plätze an diesem Sonntag, zumindest auf der Heimseite, nahezu voll besetzt. Es war auch für Türkiyemspor der erste Auftritt überhaupt im DFB-Pokal der Frauen.
Aus Hamburg fanden nicht ganz so viele Fans den Weg nach Berlin, trotzdem waren am Ende über 300 Zuschauende da und sorgten für ordentlich Stimmung. Im normalen Ligaalltag sind es nicht annähernd so viele bei Heimspielen von Türkiyemspor.
Vielleicht haben sich am Ende also doch ein paar Menschen so nachhaltig von der EM mitreißen lassen, sind der Hoffnung der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nachgekommen und gehen nun mehr in die Stadien. Insgesamt waren im Schnitt etwa 315 Fans bei den Spielen der ersten Pokalrunde, also fast 100 mehr als in der letzten Saison, wo es nur 225 pro Spiel waren.
Sowohl für Türkiyemspor als auch für uns als Regionalligaaufsteiger war es ein absolutes Highlight am Sonntag und bereits mit dem Anpfiff sowie der damit verbundenen erstmaligen DFB-Pokal-Teilnahme schrieben beide Teams Vereinsgeschichte.
„Genießt es, denn nicht jeder bekommt so eine Möglichkeit“, sagte mein Trainer Dennis Tralau bei seiner Kabinenansprache vor dem Spiel. „Wir haben uns das verdient und ich habe Bock, dass wir später im Bus sagen können, wir haben alles gegeben.“
Von Motivationsreden vor solchen besonderen Spielen kursieren immer wieder Videos im Internet und sicherlich hätte auch Dennis seinen Platz in einem Sportschaubeitrag verdient. Die Kamera blieb bei uns in der Kabine aber aus. Genauso wie auf dem Platz und bei den meisten Spielen der ersten Runde.
Nur das letzte Duell zwischen den beiden Regionalligisten Holstein Kiel und VfL Bochum wird am Montagabend auf Sky übertragen. Immerhin ein Anfang, auch wenn bei den Männern jedes Spiel live gestreamt werden kann. Wenn bei uns mal eine Kamera am Spielfeldrand steht, dann nur, damit das Trainerteam die Partie anschließend analysieren kann – nicht aber, um unsere Fans vor den heimischen Fernsehern zu beglücken.
Der Ausgleichstreffer sorgte für Euphorie
Auch wenn es keine Liveschalte des Spiels am Sonntag gab, wirkte sich das nicht negativ auf die Motivation aus. Trotz der seit dieser Saison gleich hohen Ligazugehörigkeit war Türkiyemspor vor Anpfiff am Sonntagmittag der klare Favorit.
Doch da gibt es ja immer noch diese kleine Hoffnung, möglicherweise für eine kleine Überraschung sorgen zu können – wegen der viel zitierten „eigenen Gesetze“ und den Geschichten, die angeblich nur der Pokal schreibt.
Die Hoffnung lebte exakt sieben Minuten lang und dann gingen die Berlinerinnen schon 1:0 in Führung. Es lief also alles nach Plan aus Türkiyemspor-Sicht, die neben der zweiten Pokalrunde auch den Aufstieg in die zweite Bundesliga im Blick haben in dieser Saison.
Doch auch wir fanden immer besser ins Spiel und nach dem 1:1 durch unsere Stürmerin Hannah Paulini, die vor Kurzem als Amateurspielerin mit den meisten Toren in ganz Deutschland ausgezeichnet wurde, gab es auf der Bank und bei den mitgereisten Hamburger Fans kein Halten mehr. Euphorisiert von dem Ausgleichstreffer war es im Anschluss ein Spiel auf Augenhöhe und der Glaube an einen Sieg und den Einzug in die zweite Runde wuchs.
In der Halbzeitpause gab es nochmal eine ordentliche Portion an Motivation unserer Trainer und auch die Chance für mich und die anderen Einwechselspielerinnen, ein paar DFB-Pokal-Minuten zu sammeln, sollte sich ergeben.
Wir hatten uns viel vorgenommen für die zweite Halbzeit, doch noch schneller als im ersten Durchgang kassierten wir mit dem ersten Angriff erneut ein Gegentor und Türkiyemspor lag mit 2:1 in Führung. Willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen.
In der Folge trumpfte das Team von Erika Szuh dann endgültig auf und zeigte mit spielerischer Klasse, warum sie ganz oben mitspielen möchten. In der 65. Minute stand ich dann draußen bereit, das Spiel war nach dem vierten Gegentreffer aus unserer Sicht aber bereits gelaufen. Dennoch war die Vorfreude groß, nun auch selbst zu spielen und vielleicht doch noch für einen Treffer zu sorgen. Die von uns erhoffte Überraschung blieb an diesem Tag letztlich aus und wir mussten uns mit 1:6 geschlagen geben.
Überraschungen sind im DFB-Pokal der Frauen eher selten
Insgesamt kommt es tatsächlich eher seltener zu den ganz großen Coups im DFB-Pokal der Frauen. Meist setzen sich die Teams der 1. und 2. Bundesliga souverän durch und lassen nicht wirklich Spannung aufkommen. Zu groß ist am Ende auch das Drumherum bei den Vereinen, selbst beim ETV und Türkiyemspor.
Bei uns als kleiner Regionalligaaufsteiger, doch immerhin die dritthöchste Liga Deutschlands, werden die Bälle noch selbst getragen, abgezählt und aufgepumpt, die Trikots von jeder Spielerin selbst gewaschen und auch sonst ist man allein verantwortlich für die perfekte Spielvorbereitung neben Schule, Uni und Arbeit.
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Das ist teilweise auch so in der Bundesliga, selbst bei Nationalspielerinnen, doch nicht ganz so extrem. Denn Priorität ist bei vielen Spielerinnen in der zweiten Liga und eigentlich auch darunter nicht der Fußball, denn das kann sich wortwörtlich niemand leisten.
Am Ende war es trotz der Niederlage eine eindrucksvolle Erfahrung, im DFB-Pokal gespielt zu haben. Vor einer tollen Kulisse, die vielleicht auch nur wegen der erfolgreichen EM der deutschen Fußballerinnen letztlich so groß war. Und auch das Emblem des DFB-Pokals, das extra auf den Ärmel unserer Trikots genäht wurde, kann sich sehen lassen und wird uns nun die ganze Saison begleiten.