Wie es bei einer Mitglieder-Versammlung schief laufen könnte
Am Ende stand allen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: der Direktorin Lisa Marei Schmidt, weil die Erweiterung des Fördervereinsvorstands von drei auf sieben Personen glatt über die Bühne ging, dem Kunstanwalt Peter Raue, weil die von ihm geleitete Mitgliederversammlung im Brücke-Museum doch nicht bis Mitternacht dauerte, und dem Publikum, weil der befürchtete Schlagabtausch mit jüngst eingetretenen Mitgliedern womöglich aus der rechten Ecke ausgeblieben war.
Dafür gab es es am Ende ein Glas Sekt zum Anstoßen mit dem neuen Vorstand. Zu ihm gehören künftig neben der Direktorin sowie dem Kunsthistoriker Mario von Lüttichau und Kunsthändler Wolfgang Wittrock außerdem der Filmproduzent Felix von Boehm, der Architekt Hans Düttmann, die Kulturanthropologin Kirsten Prinzessin von Hohenlohe und als künftiger Kassenwart der Jurist Jonas Richter an.
Lisa Marei Schmidt kann nun endgültig ihr Linie verfolgen
Schmidt hat damit ein deutlich verjüngtes Team um sich geschart, das die neue Aufgeschlossenheit des Hauses seit ihrem Amtsantritt vor vier Jahren noch einmal forcieren soll.
Genau daran wäre es bei ihrem Start beinahe gescheitert. Alt-Vorstand Lutz von Pufendorf hätte die neue Direktorin damals zu gerne abserviert, gehörte er doch 2006 zu den vehementen Gegnern der umstrittenen Kirchner-Restitution und befand er sich auch sonst auf Gegenkurs zur jungen Museumschefin, die sich gerade die kritische Befragung der Sammlung vorgenommen hatte.
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Kein leichter Start für die damals 39-Jährige. Als von Pufendorf 2019 schließlich die Vertrauensfrage stellte und nach dem Scheitern noch während der Mitgliederversammlung seinen Austritt erklärte, schien der neue Weg frei.
Doch offensichtlich nicht ganz. So zumindest die Befürchtung des Berliner Kunst-Granden Kasper König. In einem Aufruf warnte der langjährige Direktor des Kölner Ludwig-Museums davor, dass der erstaunliche Mitgliederzuwachs – vermutet „schlagende Studenten und AFD Sympathisanten“ – den Förderverein unterwandern und Einfluss auf die anstehende Abstimmung zum erweiterten Vorstand nehmen könnten.
Damit hatte sein Nachfolger in Köln, Yilmaz Dziewior, als er noch den Hamburger Kunstverein leitete, bereits Erfahrung gemacht. Ihm gelang es jedoch, eigene Neumitgliedern zu mobilisieren und damit den „Putsch“ zu verhindern.
Mit seinem Appell will Kasper König „für die nötige Balance” sorgen
Genau das hatte auch König im Sinn mit seinem Appell an engagierte Kunstfreunde und Kunstfreundinnen: „für die nötige Balance sorgen“. Die Mitgliederversammlung des Brücke-Förderkreises wurde auf diese Weise zu einer Solidaritätsbekundung für Lisa Marei Schmidt. Bekannte Sammler:innen, Galerist:innen, Kurator:innen der Stadt saßen nun ihrerseits als jüngst eingetretene Mitglieder in den Reihen, um der Direktorin beizustehen. Sticheleien gab es noch hier und da von gegnerischer Seite, eine durchschaubare Intervention gegen die Erhöhung des Jahresbeitrags. Doch dann stand auch schon das Wahlergebnis fest, Applaus für den frisch gewählten Vorstand.
Beim anschließenden Sekt hatte Kasper König das Haus schon verlassen, Mission erfüllt. Mögliche Putschisten waren auf der Versammlung gar nicht erst aufgetreten. Vermutlich hatten sie von der Gegenaktion erfahren und ihren Versuch daraufhin unterlassen. Alles ein Sturm im Wasserglas? König fühlte sich gewarnt durch kürzliche Erfahrungen in Chemnitz, seine Begegnungen „mit diesen Typen, die meinen, sie müssten Nolde retten“.
„Berlin ist nicht Chemnitz“, winkt Lisa Marei Schmidt ab
Nolde und sein erst jüngst bekannt gewordener Antisemitismus gilt als Scheidelinie der Geister, obwohl der künstlerische Rang des Malers gar nicht in Frage steht – wie sich auch in der Neuen Nationalgalerie studieren lässt.
König hatte in Chemnitz kurz nach der Bundestagswahl zusammen mit Annabell Burger die viertägige Pop-up-Ausstellung „Hinterm Nischel“ kuratiert, um einen „Zustand der politischen Offenheit“ herzustellen mit Werken unter anderem von Susi Pop, Hito Steyerl und Laura Horelli.
Das sorgte für Zündstoff. Die Schau galt zugleich als Unterstützung für den seit drei Jahren amtierenden Generaldirektor der städtischen Kunstsammlungen, Frédéric Bußmann, der einen schweren Stand in der Stadt hat.
„Berlin ist nicht Chemnitz“, hatte Schmidt zuvor abgewunken. Von Machtspiel wollte sie nichts wissen. Dennoch war die letztlich harmlose Versammlung ein Schaustück, wie es schief laufen könnte. Der Förderverein kann sich nun seinen Projekten zuwenden. Auf dem Plan steht die Erwerbung eines Heckel-Bildes. Mit den erhöhten Mitgliedsgebühren sollte das zu schaffen sein.