Wettlauf des Protests

Als vor zwei Wochen die britische Innenministerin Priti Patel entschied, den Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA auszuliefern, reagierte der erst ein paar Tage zuvor gegründete PEN Berlin sofort mit einer Protestnote: „PEN Berlin setzt sich für seine bedingungslose Freilassung ein: Julian Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden!“, hieß es in der Pressemitteilung.

Drei Stunden später folgte ein Schreiben des in Darmstadt ansässigen PEN-Zentrums Deutschland, das unter anderem darauf verwies, „immer wieder gegen die Haft und die Haftbedingungen seines Ehrenmitglieds Julian Assange protestiert“ zu haben und das hiermit auch jetzt tue.

Auch im Fall der aus Simbabwe stammenden Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga, der in ihrer Heimat ein Prozess gemacht wird, weil sie angeblich zu öffentlicher Gewalt, Landfriedensbruch und Bigotterie aufgerufen habe, wiederholte sich dieser Vorgang der zwei deutschen PEN-Protestnoten.

Wieder war es der PEN Berlin, der in einer Medienmitteilung forderte, den Prozess gegen Dangarembga und die mitangeklagte Journalistin Julie Barnes sofort einzustellen. Ein paar Tage später, am Verhandlungstag in Zimbabwe, folgte PEN Deutschland und forderte „die Einstellung des Verfahrens.“

Erst der eine PEN, dann der andere

Es wirkt, als würde es jetzt einen Wettlauf des Protests geben; als würde die eine deutsche Schriftstellervereinigung vorlegen, die andere nachziehen; doch ist es natürlich der Job eines PEN-Clubs, in Fällen wie denen von Assange oder Dangarembga zu protestieren.

Die Wettlaufanmutung rührt nun einmal daher, dass es in Deutschland nach dem Chaos bei der PEN-Zusammenkunft in Gotha im Mai eben zwei deutsche PEN-Vereinigungen gibt.

Das bedarf der Gewöhnung, entbehrt – bei aller Ernsthaftigkeit und Unabdingbarkeit des Einsatzes für verfolgte Autorinnen und Autoren – nicht einer gewissen Komik, potenziert aber womöglich die Aufmerksamkeit für jene Vorgänge, gegen welche die PENs protestieren.

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Trotzdem fragt sich, wann und wie beide PENs kooperieren wollen und sollen, wenn Ende September bei der Tagung des internationalen PEN im schwedischen Uppsala über die Aufnahme des PEN Berlin entschieden wird. Voraussetzung dafür sind zwei weitere PEN-Zentren als Bürgen, und diese Bürgschaft haben der PEN Uganda und der ukrainische PEN Ukraine zugesagt. Ob es also in Zukunft eine Zusammenarbeit gibt, wie sie der Darmstädter Interimspräsident Josef Haslinger angekündigt hatte, weil da einfach kein Weg dran vorbei führe? Und man dann vielleicht auch medial an einem Strang zieht und ein gemeinsames Protestschreiben auflegt und verschickt?

Vom PEN Deutschland gibt es geradezu eine Protestoffensive

Nach dem schnellen Rücktritt von Haslingers neu in den Vorsitz des PEN Deutschland gewählter Kollegin Maxi Obexer Mitte Juni lässt darauf nicht so viel schließen.

So zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ aus Mails von Obexer an die Mitglieder der Vereinigung über einen der Gründe ihres Rückzug: „Die Feindseligkeiten, die Verhärtungen, die Verunglimpfungen. Das Denken in Lagern. Es herrscht noch immer Krieg in den Köpfen vieler.”

Und Obexer sprach des Weiteren von „reformresistenten, herrisch auftretenden Männern“, die das PEN-Zentrum in Darmstadt dominieren würden.

Dieses wiederum scheint in den letzten Tagen geradezu eine Protestoffensive gestartet zu haben, gezeichnet jeweils von der Vizepräsidentin und „Writers-in-Prison“-Beauftragten Cornelia Zetsche. Am vergangenen Montag protestierte PEN Deutschland gegen den Terror der Junta in Myanmar, am Dienstag dagegen, dass die Künstlerin Aleksandra Skochilenko in Russland in Untersuchungshaft genommen wurde.

Und am Mittwoch dann gegen die fünfjährige Gefängnisstrafe für den Philosophen und Journalisten Wladimir Mazkewitsch in Belarus. Wobei man im letzteren Fall nicht zu erwähnen vergaß: „Zwei Schriftsteller aus Belarus haben bereits in den Programmen des PEN-Zentrums Zuflucht gefunden.“