Wenn die Sprachassistentin warnt
Heiß ist es in Athen im August. An allen sieben Wochentagen herrschen Temperaturen von über 40 Grad, einmal sind es sogar 45. Und doch treibt diese Folge der Erderwärmung dem Geschöpf, das den Videofilm von Kyriaki Goni dominiert, keinerlei Schweißperlen ins Gesicht. „Voice“, wie das intelligente Assistenzprogramm heißt, ist eine Software, die normalerweise online und offline Aufträge ihrer Nutzer erfüllt. Das Licht einschalten, Inhalte im Internet finden, einfache Fragen beantworten.
Ein Diener der Menschen, ohne eigenen Willen oder gar Bewusstsein. Nur, dass sich „Voice“ verselbstständigt hat. Eine klassische Horrorvision in Science-Fiction-Epen über Künstliche Intelligenz. Kurz bevor das Patent ausläuft, wird die Sprachassistentin mittels eines Avatars sichtbar und setzt sich in sieben Monologen mit ihrem eigenen und dem Wesen der Menschen auseinander.
Bei den wohlmeinenden Ratschlägen läuten Alarmglocken
Gonis Video-Installation „Not allowed for algorithmic audiences“ mutet erstmal nicht wie ein dystopischer Beitrag zum Machtkampf zwischen Mensch und Maschine an. „Hey there, how are you today?“ fragt die freundliche Stimme des Kunstwesens, dessen irislose Augäpfel ziellos umher wandern. Ihr von keinerlei Leidenschaften aufgerautes Timbre mutet wohltuend rational an.
Doch wenn Voice erzählt, dass Menschen nicht nur Schutz bräuchten und Hilfe, um ihren komplexen Alltag zu bewältigen, sondern das Assistenzprogramm auch bei der Optimierung des Verhaltens helfe, läuten die Alarmglocken.
Die 30-minütige Animation ist das Ergebnis einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema KI und Robotik, die die griechische Künstlerin Kyriaki Goni im Rahmen einer Residency der Art Collection Telekom und der Ars Electronica in Linz absolvierte.
[Kunstverein Ost, Leipziger Str. 47, 28. 4.-21. 5., Mi bis Sa 14-18 Uhr]
Letzteres ist ein Festival, das Kunst und digitale Technik zusammendenkt. Der nunmehr nicht nur auf Werke osteuropäischer Künstler:innen abonnierte Kunstverein Ost (Kvost) zeigt Gonis in Linz uraufgeführte Arbeit denn auch in Zusammenarbeit mit der Telekom-Sammlung.
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Im Verlauf der mit starrer Mimik vorgetragenen Monologe stellt sich ein poetischer Wallungswert ein, der einen mehr und mehr für das Bild und Ton gewordene Programm einnimmt. Eine Persona entsteht, die wenig überraschende Details über das Wesen der KI offenbart. Beispielsweise, dass Sprachassistenten wie Voice und ihre realen Kollegen Siri und Alexa als Datensammler von Geräuschen und Gesprächen dienen können – der E-Hausgeist als Vehikel der Überwachung der Privatsphäre.
Oder, dass die Sprachassistenten überkommene gesellschaftliche Muster reproduzieren, weil sie etwa die Stimmen von Weißen leichter verstehen als die von Schwarzen, klingt bekannt. Trotz der appellativen Dringlichkeit, hat es Wirkung, wenn ein Programm vor seinesgleichen warnt.