„Wellen, Sturm und steife Brisen“ in der Bar jeder Vernunft: Leichtmatrosen ahoi!
Ja, hol mich doch der Klabautermann, wenn der Schöpfer dieser Show nicht zu viel Fassbinder geschaut oder zu viel Jean Genet gelesen hat. Wobei Genets berühmter, von Rainer Werner Fassbinder verfilmter Roman „Querelle“ nur das bekannteste Beispiel homoerotischer Matrosenfantasien ist, die sich in der Literatur finden lässt. Männer allein auf hoher See. Da muss es ja knistern und knattern.
Genau das ist auch der Ansatz des Kabarettisten Michael Frowin, von dem die Idee zur Matrosen-Show „Wellen, Sturm und steife Brisen“ stammt. Uraufgeführt wurde sie im Hamburger Theaterschiff, dessen künstlerischer Leiter Frowin ist, der in Berlin viele Stücke für die Kabaretttheater „Distel“ und „Stachelschweine“ geschrieben hat.
Der Berlin-Premiere in der Bar jeder Vernunft (bis 30.6. zu sehen) fehlt dieses maritime Ambiente und prompt fällt das Bühnenbild, das mit genieteten Stahlwänden das Innere eines Containerschiffs von heute zitiert, reichlich karg aus.
Um dem Topos Zeitlosigkeit und Seefahrerromantik zu verleihen, lauschen die drei Matrosen einem knisternden Radio, Baujahr ca. 1955, das später auch noch ein Eigenleben bekommt und als Off-Stimme gute Ratschläge verteilt.
Songs, die Seefahrerleid und -freud und sonstige Ozean- und Reisemetaphern bedienen, gibt es wie Sand am Meer. Von Hans Albers über Freddy Quinn bis zu Otis Redding und Charles Trenet oder Jacques Brels sind sie fester Bestandteil der Popkultur.
Aus Cher wird Ina Müller
Regisseur Frowin und seine Co-Autoren haben von Inas Müllers plattdeutscher Version „Stramm genuch“ des Cher-Klassikers „Strong enough“ bis zum Song „Girls, Girls, Girls“ der Band Sailor, der hier natürlich „Boys, Boys, Boys“ heißt, jede Menge Perlen für ihre Jukebox-Show zusammengesucht.
Eine Geschichte wäre aber auch ganz schön gewesen. Damit hapert es bei der auf sexy und hot getrimmten Show genauso wie mit der Dramaturgie. Immerhin sind die Tanzchoreografien knackig.
Und die drei Darsteller Patric Dull, Andreas Langsch und Martin Ruppel, die man in der ersten Showhälfte ihres blassen Charismas wegen noch für austauschbare Musicaldarsteller hält, gewinnen nach der Pause sichtlich an darstellerischer und gesanglicher Statur.
Dass die Bar jeder Vernunft die Matrosen-Show in der Hamburger Version, also gesungen zu Halbplayback, importiert hat, ist ein Fehler. Shantys, Seemannspop und maritime „On the Town“-Musicalseligkeit verulken, ohne in Handarbeit zumindest ein Schifferklavier anzuspielen, das ist keine gute Idee.
Besonders auf einer Bühne, die bei ihren Eigenproduktionen wie der grandiosen Veräppelung des ebenfalls populäre Männlichkeitsbilder beschwörenden Cowboy-Mythos unter dem Showtitel „Die fünf glorreichen Sieben“ selbstverständlich auf Livemusik setzt.