Was passiert nach dem Schuldspruch gegen den Popstar mit seiner Musik?

Beim US-Streaming-Musikportal Tidal ist es kein Problem, das Gesamtwerk von R. Kelly zu hören und herunterzuladen, seine Superhits „I believe I can fly“ und „Ignition“ genauso wie Tracks, die „The Greatest Sex“ heißen, „Honey Love“, „Strip For You“ oder „When A Woman Loves“, Tracks, bei denen auch andere Stars wie Jay-Z, Usher, Keri Hilson, Celine Dion oder Future mit dabei sind.

Schon vor Jahrzehnten stellte sich die Frage, ob man diese Songs von einem R&B-Star hören wollte, der schon nach seiner Heirat mit der von ihm entdeckten, damals 15 Jahre und eben nicht 18 Jahre alten Sängerin Aaliyah, unter Verdacht stand, Minderjährige sexuell zu missbrauchen, aber dessen nicht rechtskräftig überführt wurde, als er schließlich 2008 deshalb unter Anklage stand.

Noch drängender stellte sich diese Frage nach der sechsteiligen Dokumentation „Surviving R. Kelly“, in der mehrere Frauen, darunter seine Ehefrau Andrea, vor der Kamera davon berichteten, wie der Sänger sie körperlich und psychisch misshandelt hat.

Noch bevor die Dokuserie Anfang 2019 erschien, reagierten Streamingdienste wie Spotify und Apple Music auf die zunehmend sich erhärtenden Missbrauchsvorwürfe und strichen seine Songs zumindest von den hauseigenen, auf die Hörgewohnheiten ihres Publikum zugeschnittenen Playlists.

Im Mai 2022 wird das Strafmaß verkündet

Das hieß, dass die Musik von R. Kelly weiterhin abzurufen war, aber nicht mehr aktiv von den Portalen beworben wurde. R. Kelly und sein Management argumentierten seinerzeit, dass er nie rechtskräftig verurteilt worden, er unschuldig bösen Kampagnen ausgesetzt sei.

Das ist jetzt anders, nachdem R. Kelly am Montagabend von einem New Yorker Gericht des sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen worden ist und ihm eine jahrzehntelange Haftstrafe droht (im Mai 2022 soll das Strafmaß verkündet werden).

Dass R. Kelly weiterhin Musik produziert, erscheint nicht vorstellbar – doch wie gehen die Musikportale mit seinem bisherigen Werk um? Soll es verfügbar bleiben, jedoch nicht für Playlists ausgewählt und damit gefördert werden?

Wie weit soll der Bannstrahl der Musikportale gehen

Die Frage ist heikel, geht es doch darum, wie weit sich so ein Bannstrahl erstrecken soll. Ist es legitim, die Kunst eines verurteilten Sexualstraftäters aus dem Programm zu nehmen? Oder ist das schon Cancel Culture?

Aber wer will oben genannte Songs über Liebe und Sex hören von jemandem, der des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gesprochen wurde? Und der zudem in seinen Videos häufig genug keine Grenzen gezogen hat zwischen sich und einer möglichen Kunstfigur.

Allerdings ist es auch kein Problem, die Musik von R. Kelly auf den Musikportalen schlichtweg zu ignorieren, solange sie eben nicht in von Algorithmen gesteuerten Playlists auftaucht. Spotify, Apple Music, Tidal und Co werden sich schwer damit tun, den richtigen Umgang mit R. Kellys Werk zu finden – so schwer wie sich die gesamte Musikbranche überhaupt damit getan hat, den Vorwürfen der vielen misshandelten Frauen Glauben zu schenken.

Zwar distanzierten sich einige Popstars wie Chance The Rapper oder Lady Gaga von ihrer Zusammenarbeit mit R. Kelly, doch in der sechsstündigen Dokuserie war es allein der Musiker John Legend, der Stellung bezog.