Was entscheidend sein wird beim Spiel gegen Frankreich

Dienstagabend, 21 Uhr: Wenn 22 der 24 EM-Teilnehmer ihr erstes Spiel bereits hinter sich haben, geht es auch für die Deutschen los. In München, vor immerhin 14.000 Zuschauern, trifft die Nationalmannschaft auf Weltmeister Frankreich. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Spiel.

Was plant der Bundestrainer?

Im Trainingslager in Seefeld hat die Nationalmannschaft nicht nur fleißig auf dem Platz trainiert; sie hat dort auch den Vortrag eines Pokerprofis gehört. Und wer weiß: Vielleicht hat Bundestrainer Joachim Löw ja noch was gelernt. Vielleicht ist das, was gerade passiert, nur ein großer Bluff.

Es gilt schließlich schon länger als weitgehend abgemacht, mit welchem Personal und welcher Taktik Löw die Aufgabe gegen die Franzosen angehen wird: mit einer Dreierkette in der Abwehr, zwei offensiv ausgerichteten Außenverteidigern, von denen einer Joshua Kimmich sein wird, mit Toni Kroos und Ilkay Gündogan auf der Doppelsechs und einer maximal flexiblen Dreierreihe in der Offensive, in der Thomas Müller als gesetzt gilt.

Für die beiden anderen Positionen gibt es theoretisch vier Bewerber: Kai Havertz, Serge Gnabry, Leroy Sané und Timo Werner. Nimmt man das letzte Testspiel, das 7:1 gegen Lettland, zum Maßstab, dürften Havertz und Gnabry beste Chancen auf einen Platz in der Startelf haben.

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Mit Blick auf die zu erwartenden Herausforderungen könnte aber auch der flinke Werner eine gute Wahl sein: wenn die Deutschen nämlich etwas tiefer stehen, kompakt verteidigen und dann schnell kontern wollen. Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, glaubt zumindest: „Man wird nicht gezwungen sein, unbedingt das Spiel zu machen.“

Was sagt die Statistik (I)?

Die Franzosen gehören – wie Brasilien, Ägypten und die DDR – jenem illustren Siebenerklub an, dessen Mitglieder eine positive Länderspielbilanz gegen die deutsche Elf vorweisen können. Während das bei Ägypten (ein Spiel im Jahr 1958, eine Niederlage) und der DDR (ein Spiel 1974, eine Niederlage) vor allem historische Gründe hat, ist der Schrecken bei den Franzosen immer noch präsent.

Ärger gibt es im Team der Franzosen um Olivier Giroud (Mitte).Foto: ALEXANDER HASSENSTEIN / POOL / AFP

Letztmals haben die Deutschen 2014 gewonnen, im WM-Viertelfinale in Rio. Seitdem gab es fünf Duelle, von denen zwei unentschieden endeten. Die anderen drei entschied die Équipe tricolore für sich.

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Was gibt es Neues von den Franzosen?

Es knirscht ein bisschen im Gefüge. Olivier Giroud, Mittelstürmer im fortgeschrittenen Fußballeralter, hat zuletzt über fehlende Zuneigung geklagt, die sich vor allem darin geäußert haben soll, dass ihm im Testspiel gegen Bulgarien fortwährend der Ball vorenthalten wurde.

Girouds Klage ist vor allem als Vorwurf an seinen Mitspieler Kylian Mbappé verstanden worden, der das wiederum gar nicht witzig fand und am liebsten gleich eine Pressekonferenz einberufen hätte. Nationaltrainer Didier Deschamps konnte das gerade noch verhindern.

Dass Giroud, beim FC Chelsea Teamkollege von Antonio Rüdiger, Timo Werner und Kai Havertz, nicht die allerbeste Laune hat, liegt wohl weniger an Mbappé als an Karim Benzema und dessen Rückkehr ins Nationalteam. Denn wenn Benzema spielt, worauf alles hindeutet, heißt das: Giroud spielt nicht. Das ist blöd für Giroud. Und für die Deutschen. „Es hat Frankreich wahrscheinlich nicht schlechter gemacht, so einen Stürmer zurückzuholen“, sagt Timo Werner über Benzema.

Was sagt die Statistik (II)?

Spätestens seit der WM 1990 und dem Galaauftritt von Lothar Matthäus gegen den vermeintlichen Geheimfavoriten Jugoslawien gilt es hierzulande als Basiswissen im Grundkurs Fußball, dass ein erfolgreicher Start in ein Turnier essentiell ist, um das Turnier auch erfolgreich zu Ende zu bringen.

Lothar Matthäus beim Spiel gegen Jugoslawien in Mailand.Foto: imago sportfotodienst

4:1 siegten die Deutschen gegen die Jugoslawen; sie surften fortan auf der Woge der Begeisterung durch das Turnier und waren vier Wochen später Weltmeister. Die Aufgabe gegen Frankreich dürfte ungleich schwerer sein. „Es ist kein Spiel zum Reinkommen“, sagt Toni Kroos.

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„Die Dinge, die wir einstudiert haben, sollten dann schon funktionieren.“ Immerhin ist Löw ein Meister des Turnierauftakts. Unter ihm sind die Deutschen von 2008 bis 2016 ausschließlich mit Siegen in EM- und WM-Endrunden gestartet. Erst bei der WM 2018, gegen Mexiko, kassierte die Nationalelf erstmals ein Gegentor in ihrem ersten Turnierspiel. Der Rest ist bekannt.

Wer muss leiden?

Joachim Löw. Der Bundestrainer muss sein Aufgebot noch von 26 auf 23 Spieler zusammenstreichen. „Das hat keiner verdient“, sagt Löw. Ob er das unangenehme Gespräch zweimal oder nur einmal führen muss, ist noch offen.

Leon Goretzka beim Training der Deutschen Nationalelf.Foto: FRANCK FIFE / AFP

Nur Jonas Hofmann fällt definitiv aus. Leon Goretzka hingegen könnte doch schon wieder im Kader auftauchen. Zittern müssen wohl Robin Koch sowie die beiden Leipziger Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg.

Klostermann hat sich schon mal prophylaktisch zum möglichen Ausschluss aus dem Kader geäußert: „Ich persönlich finde die Regelung ein bisschen unglücklich. Ich verstehe auch nicht, was sie soll.“

Und sonst?

Der erste Gegner der Deutschen bei der EM 2021 war ihr letzter Gegner bei der EM 2016. Damals unterlag man den Franzosen im Halbfinale mit 0:2. Eine solche Konstellation hat es in der DFB-Geschichte schon einmal gegeben.

1976 endete die EM für das DFB-Team mit der Finalniederlage gegen die Tschechoslowakei; bei der Endrunde vier Jahre später in Italien hieß der erste Gegner ebenfalls Tschechoslowakei. Die Deutschen gewannen 1:0 und wurden später Europameister.