Deutsche Handballerinnen bei der EM: Strukturen, die noch wachsen müssen

Es war nicht das, was sie sich erhofft hatten. Zwei Siege in der EM-Hauptrunde waren zwar durchaus respektabel, zum Weiterkommen reichte es für die deutsche Handballnationalmannschaft aber letztlich nicht. Dafür war die Hypothek aus der Vorrunde zu groß. Am Ende war es wieder Platz sieben.

Doch bei den deutschen Handballerinnen tut sich etwas. Die Handschrift des im April neu verpflichteten Bundestrainers Markus Gaugisch ist zu erkennen. Unter ihm ist die Abwehr flexibler geworden und das Angriffsspiel wirkt in seiner Bestform flüssiger. Vor allem aber scheint das Team als Ganzes gestärkt.

Die Spielerinnen sind selbstbewusster und übernehmen mehr Verantwortung – wenngleich das nur der erste Schritt ist. Denn die Leistungsträgerinnen Alina Grijseels, Xenia Smits und Emily Bölk sind zwar international erfahrenere Spielerinnen, aber erst Mitte beziehungsweise Ende 20 und haben noch einen Teil ihrer Entwicklung vor sich.

Die Professionalisierung steckt noch in Kinderschuhen

Sie stehen sinnbildlich für das, was der Deutsche Handballbund mit der Strukturreform auf- und ausbauen will: Eine Frauenabteilung, die zunehmend professionalisiert und an die Weltspitze herangeführt wird. Doch steckt dieser Prozess eben noch in den Kinderschuhen.

Nicht alle Spielerinnen sind bei einem derart eng getakteten Turnier – sie spielten sechs Spiele in zwölf Tagen – in der Lage, dauerhaft auf höchstem Niveau zu spielen. Das war an den teilweise doch eklatanten Fehlern in der Offensive zu erkennen. Dazu fehlt es einfach an der nötigen Routine im einzelnen, aber auch im Teamgefüge.

Deutschland kann sich nicht mit Norwegen oder Frankreich vergleichen, wo die Strukturen über Jahre gewachsen sind. Noch spielen die meisten deutschen Handballerinnen zu Hause und haben keine bis wenig Erfahrung auf dem internationalen Parkett.

Noch ist die Bundesliga in der Breite zu schwach, um konkurrenzfähig zu sein. Noch gibt es in den meisten Vereinen keine angemessene Bezahlung, die es den Spielerinnen ermöglicht, sich gänzlich auf den Sport zu konzentrieren und dadurch bestmögliche Leistungen zu erzielen. Noch weist die Nachwuchsförderung zu viele Lücken auf.

Dementsprechend ist der Kreis, aus dem der Bundestrainer schöpfen kann, überschaubar und die Verletzung von Rückraumspielerin Alicia Stolle fällt noch einmal mehr ins Gewicht. Gleiches gilt für Maria Michalczik, Antje Döll und Dinah Eckerle, die bei dieser EM nicht dabei sein konnten.

Statt hohen Erwartungen braucht es mehr Investitionen

Daher täte man gut daran, die Erwartungen an das deutsche Team nicht zu hoch zu schrauben, sondern der Auswahl Zeit zu geben, zu wachsen. Schließlich war die Defensive großteils überzeugend, auch Torfrau Katharina Filter setzte gute Akzente.

Mit Grijseels, Smits und Bölk verfügt Deutschland über Ausnahmetalente und wird damit auf lange Sicht von wichtigen Säulen gestützt – das zeigt ebenso das Ranking der Europäischen Handball Föderation (EHF), in dem Grijseels aktuell die Torschützenliste anführt, Bölk ist unter den besten 15 Spielerinnen. Smits hingegen gehört zu den besten Abwehrspielerinnen des Turniers.

Diese Frauen können in Zukunft einiges leisten, wenn ihnen entsprechender Rückhalt gegeben wird. Wenn der Lohn nicht nur in den Prämien, sondern genauso in den Tagegeldern weiter an die Männer angepasst wird. Wenn in den Vereinen in die Frauen investiert wird. Wenn dem Publikum der Sport nicht nur über Internetstreams, sondern übers Fernsehen zugänglich gemacht wird und dadurch mehr Fans und Sponsoren generiert werden können.

Die deutschen Handballerinnen haben dazu wieder ihren Teil beigetragen – aber für den ganz großen Wurf muss das System mitspielen.

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