Vom Wind verweht: Solveig Bolduan in der Galerie Mutare in Berlin-Charlottenburg
Alle reden vom Wetter, doch keiner malt es. Von der allgegenwärtigen Klimakatastrophe ganz zu schweigen. Was die Impressionisten von einst als Licht- und Luftspiegelungen auf die Leinwand zauberten, dabei immer noch in Bodenhaftung zum Geschauten, wird bei Solveig Bolduan zu einem weather report ganz spezieller Art.
Die Galerie Mutare präsentiert eine Auswahl ihrer „Klimabilder“, geschaffen mitten in der Corona-Krise. Ein raffiniertes, flüchtig anmutendes Strichwerk in differenziertesten Tönen breitet sich in dieser großformatigen Malerei aus, die sorgfältig während eines langen Prozesses geplant ist, basierend auf Beobachtungen direkt vor der eigenen Haustüre.
Denn Solveig Bolduan, geboren 1958 im Brandenburgischen Pritzwalk, lebt nach einem Studium der Bildhauerei und Keramik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee schon seit vierzig Jahren in der Niederlausitz mit Garten und einem Stück Wald als Eigentum. Genügend Inspirationen liefern dieser eingefleischten Anti-Städterin die Natur, die jahreszeitlichen Veränderungen und Wetterphänome, denen sie auf abstrahierende Weise nachspürt.
Der Mensch taucht hier nicht auf. Dafür verwandeln sich durch lange Dürre ausgetrockenete Böden, herbstliche Nebelschwaden, glitschig schmelzender Schnee und zartes frisches Frühlingsgrün in ein ausgeklügeltes Gewebe aus Farbschichten und lebhaften Pinselzügen.
Der „Saharastaub“, dem eine ganze Serie gewidmet ist, erscheint als rötliche Farbschlieren. Periodisch gelangt dieser feine eisenhaltige Wüstensand durch Föhnwinde auch über die Alpen und nach Deutschland und kann als „Blutregen“ rostbraune Ablagerungen auf Autodächern wie in der freien Natur hinterlassen, die dann gleichsam zu einer atmosphärischen Düngung werden.
Solveig Bolduan hat sich intensiv mit Land Art auseinandergesetzt
Ohnehin setzte sich Solveig Bolduan intensiv mit der Land Art auseinander, die, entstanden in Amerika in den späten 1960ern, als temporäres Kunstwerk gestalterisch und nicht zuletzt gesellschaftskritisch in die Umwelt eingreift. Mehrfach ausgezeichnet, kreiert sie seit 2012 den Klimapreis der Landeshauptstadt Potsdam. Arbeitsaufenthalte führten sie nach Armenien und Brasilien, so dass sich Werke von ihr nicht nur in deutschen Sammlungen, sondern auch im Museu de Arte Moderna von Rio de Janeiro befinden.
Die Galerie Mutare zeigt ebenso einige ihrer expressiven nackten Frauenfiguren, die an archaische Statuen erinnern mögen, und diverse ihre witzig-skurrilen Skulpturen, die schon lange ihr Werk begleiten. Schwarz-Weiß gefasst oder farbig bemalt kombinieren sie die unterschiedlichsten Materialien wie Holz, Textilien, Haare, Nägel, Wachs oder simple Haushaltsutensilien als zufällige Fundstücke. Selbst ausrangierter Weihnachtsschmuck kommt zum Einsatz.
Eine verspielte fantastische Mischung aus Realität und Fabelwelt tut sich auf, der Dadaismus liegt in nicht weiter Ferne. Auch das liebe Vieh kommt nicht zu kurz. Ihr aus Stoff genähtes „Nilpferd“ mit bunt schillernder Haut hat Solveig Bolduan dabei auf handliche Wohnzimmergröße reduziert und ist als Kuscheltier niedlich anzusehen. (Die Preise liegen zwischen 1000 und 8.200 €.)