Vom Kloputzer in Australien zum Mittelblocker in Berlin
Wenn es Samstag für die BR Volleys nach Friedrichshafen geht, dann hat das Spiel für Nehemiah Mote eine ganz besondere Bedeutung. Zum einen, weil der VfB der stärkste Gegner in der Liga ist und zum anderen, weil der 28-jährige Mittelblocker bis vor kurzem selbst noch am Bodensee gespielt hat. Nach einer schweren Knieverletzung war Friedrichshafen 2019 der erste Verein, der den Australier wieder unter Vertrag nahm. „Ich bin dankbar, dass sie etwas in mir gesehen haben und mir die Chance gegeben haben, den Fuß wieder in die Tür zu bekommen“, sagt Mote.
Mote begann erst im Alter von 19 Jahren, bei einem von der Kirche organisierten Wettbewerb Volleyball zu spielen. Kurz darauf entschied er sich, einem Verein beizutreten. „Aber ich hatte keinerlei Ambitionen, professionell zu spielen. Ich fand den Sport einfach interessant. Er ist sehr dynamisch und beeindruckend anzuschauen“ Danach ging alles ganz schnell: Als Student, der nur in seiner Freizeit spielte, wurde er von einem australischen Scout entdeckt, erhielt ein Stipendium und zog von Sydney nach Canberra.
Dort trainierte er ein Jahr lang in Vollzeit und spielte für die Nationalmannschaft, bis ihm 2014 der deutsche Bundesligist Bühl einen Vertrag anbot. „Normalerweise haben Athleten bereits im jungen Alter Ambitionen. Ich hatte das nicht, ich bin eher zufällig über diese Möglichkeit gestolpert. Irgendwie kam eine Chance nach der anderen. Sobald ich eine Tür öffnete, tat sich eine weitere auf.“
Doch dann folgte der Rückschlag: Bei einem Spiel verletzte sich Mote schwer am Knie – kurz nachdem die BR Volleys ihn nach Berlin holen wollten. „Ich bin auf dieser Welle geritten, die immer größer und besser wurde.“ Irgendwie habe er bereits geahnt, dass etwas passieren würde; dass es nicht immer so gut laufen könne. Und diese böse Vorahnung bewahrheitete sich. Anstatt nach Berlin zu ziehen, arbeitete Mote in Australien am Flughafen und transportierte die Koffer der Fluggäste.
Mote war bereit, mit dem Volleyball aufzuhören
Anschließend war er als Landschaftsgärtner und als Hausmeister in einem Hotel tätig, wo er Glühbirnen austauschte, Klimaanlagen reparierte und verstopfte Toiletten reinigte. „Ich hatte Glück, dass ich in dem Hotel zahlreiche Rollen hatte und viele Stunden arbeiten konnte, um meine Familie zu versorgen“, erinnert er sich. Denn im selben Jahr, als er sich verletzte, brachte seine Verlobte ihr erstes Kind auf die Welt. Er sei damals bereit gewesen, mit dem Volleyball aufzuhören und habe sich gedacht: „Ich habe mein Talent genutzt, indem ich für die Nationalmannschaft gespielt und Australien vertreten habe.“
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Aber seine Verlobte Tamara spornte ihn an, weiterzumachen. Sie sagte ihm: „Das ist nur eine Hürde, die wir überwinden müssen. Du hast so viel mehr, was du dem Sport geben kannst.“ Und so begann er wieder zu trainieren und sogar wieder für das Nationalteam zu spielen – bis Friedrichshafen ihm einen Vertrag anbot.
In der samoanischen Kultur hat die Familie eine große Bedeutung
Nach zwei Saisons am Bodensee erfüllte sich dann auch sein Traum, nach Berlin zu gehen. „Wir hatten Mote immer auf dem Radar und wir wussten, dass es ein Spieler ist, der ein sehr gutes Niveau spielen kann“, sagt Volleys-Manager Kaweh Niroomand, „er passt vom Typ und seiner Spielstärke hierher. Als wir darauf aufmerksam gemacht wurden, dass sein Vertrag in Friedrichshafen auslief, haben wir das zügig zum Abschluss gebracht.”
Besonders Motes Familie, die mit ihm „durch alle Aufs und Abs gegangen“ ist, freute sich über den Wechsel. Dass sie aufgrund einer Hochzeit in Neuseeland erst in zwei Monaten hinterherkommen kann, ist Mote ganz recht: „Dann habe ich genug Zeit, die Wohnung fertigzustellen und den Kühlschrank aufzufüllen.“
Wie wichtig Mote seine Familie ist, zeigt sich auch auf dem Instagram-Kanal „Kam Family“, wo er und Tamara regelmäßig Beiträge von sich und ihren zwei Kindern posten. “Kam” sind die Anfangsbuchstaben der Namen seiner zwei Söhne. Seine Familie durfte ihn im Sommer sogar zur Nations League in Rimini begleiten. Das sei nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Teamkollegen, die aufgrund der Pandemie in einer Art Blase lebten, eine „große Freude“ gewesen. Sie babysitteten die Kinder und planschten mit ihnen im Pool.
Motes Eltern leben derweil in Samoa, wo der Familie eine große kulturelle Bedeutung zukommt. Sie sei das Herz der Community, sagt Mote, „und egal wo wir sind, wir vergessen nicht, woher wir stammen. Wir senden regelmäßig Geld an unsere Eltern. In unserer Kultur ist es üblich, seiner Familie diese Unterstützung zu geben.“
Seine Familie wird ihn auch aus der Ferne beim Spiel gegen Friedrichshafen am Samstag (20 Uhr/Twitch) unterstützen, wenn die beiden Dauerrivalen zum ersten Mal in dieser Saison aufeinandertreffen. Allen voran Tamara, die sich trotz der Zeitverschiebung kein Spiel entgehen lässt. Das kommende dürfte besonders spannend werden und so werden nicht nur die Augen von Tamara darauf gerichtet sein, sondern laut Mote „alle Augen der gesamten Liga“.