Unser Super-Škoda ließ uns nie im Stich

1981 bekamen meine Eltern ein neues Auto, den Škoda 120 L. Den Vorgänger hatten sie zwei Jahre zuvor günstig verkaufen können, und der fette Preis für den alten Wagen – in der DDR waren Gebrauchte Goldstaub, weil man auf Neuwagen ewig warten musste – hatte einen soliden Grundstock für den Neuen gelegt. Das war es wert gewesen, vorübergehend auf die Bahn angewiesen zu sein. Denn wir bekamen das Modell mit dem größeren Hubraum. Mit diesem Auto konnten wir wieder mit Sack und Pack in den Camping-Urlaub fahren: Der Škoda schleppte alles weg.

„Sack und Pack“ war wörtlich zu nehmen. Unser Hauszelt – wir waren drei Kinder, da brauchte man Platz – war in mehrere große Säcke verpackt. Einer für das Überzelt, einer für das umfangreiche Gestänge. Dazu ein kleinerer Sack mit Schlafkabinen.

Daneben Schlafsäcke, Luftmatratzen, Küchenausrüstung mit zweiflammigem Kocher, Tisch und Klappstühle und der persönliche Kram von fünf Leuten. Das war jedes Mal ein Riesenberg, der verstaut werden musste. Aber ein echter Camper war man eben nur mit Zelt. Nicht etwa mit einem Klappfix, diesem kuriosen halbgaren Campinganhänger, der Schlafplätze und Küchenzeile integriert hatte – das war nur was für Weicheier.

Wir hatten ein sturmerprobtes Steilwandzelt und zum Transport einen „Dachgarten“ als Gepäckträger. Dort hinauf wuchteten die Eltern zu zweit die schweren Säcke, und alles wurde sorgfältig festgezurrt. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir dafür Spanngurte hatten, aber irgendwas Solides wird es schon gegeben haben. Jedenfalls ging nie was verloren.

Der Skoda 120 L hatte einen Heckantrieb und der Kofferraum vorne schien auf den ersten Blick riesig und war dennoch schnell gefüllt. Aber mein Vater kannte jede Lücke, jeden Spielraum. Hinter den Rücksitzen gab es, wenn man die Lehnen vorklappte, noch ein wenig Platz, vielleicht für einen quetschbaren Schlafsack. Der Fußraum vor den Plätzen der Kinder war ebenfalls kostbar, dafür gab es zwei Minikoffer, die genau an diese Stellen passten. Schuhe und Gummistiefel wurden einzeln in kleinste Hohlräume geschoben, von denen nur er wusste, als hätte er Röntgenaugen.

Das Auto ließ uns nie im Stich

Erfinderisch war er außerdem. Aus seinem Betrieb brachte er Plastik-Container mit, in denen sich Spülmittel befunden hatte. Sie hatten genau die richtige Größe, um sie an eine bestimmte Stelle zwischen Karosserie und Motorblock zu klemmen. Der Deckel wurde abgesägt, so ließen sie sich mit irgendwas Hitzebeständigem befüllen. Sicherheitshalber wurden die Behälter noch mit Alufolie isoliert. Ich bewunderte den Wagemut meines Vaters.

[Behalten Sie den Überblick über die Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Stück für Stück schmolz der Gepäckberg zusammen. Wenn alles verstaut war, kam der Moment, wo man als Kind eventuell noch was raushandeln konnte: ein zweites Kuscheltier oder drei dicke Bände Winnetou.

Das Auto ließ uns nie im Stich, Gottseidank. Es wäre eine Katastrophe gewesen, bei einer Panne alles umpacken zu müssen. Der Škoda brachte uns – mit Sack und Pack – viele Male hin und zurück. Immer ging alles wieder rein und rauf. Manchmal sogar mehr, als wir auf der Hinfahrt dabeihatten. Vom Camping am Balaton brachten wir zwei Schaffell-Bettvorleger mit. Wir Kinder saßen drauf, und das ganze Auto roch nach Tier.

Bisher erschienen: Rollkoffer (30.6.), Trekkingrucksack (6.7.), Ikea-Tasche (9.7.), Kofferbandchaos (13.7.)