Zwischen allen Fronten
Dilan hat sich entschieden. Sie setzt ihr Leben ein. Nichts und niemand kann das ändern. Nicht mal ihre Schwester Rojda.
„Wenn ich diese Heimat auch noch verliere, habe ich nichts mehr“, sagt Dilan am flackernden Lagerfeuer. Sie gehört zu einem Trupp kurdischer Peschmerga-Kämpferinnen, die sich im Nordirak gegen den „Islamischen Staat“ zur Wehr setzen, der Krieg in die Dörfer trägt.
Rojda ist in Deutschland aufgewachsen
Rojda, die – anders als Dilan – als Kind nicht mit den Eltern aus Deutschland zurück in den Irak gehen musste, sondern bei Verwandten in Deutschland aufwuchs, hat sich ins Camp der Kämpferinnen durchgeschlagen, um die geliebte Schwester zu retten.
Auch Rojda kann mit dem Gewehr umgehen. Sie ist Bundeswehrsoldatin und dient im Camp Erbil als Übersetzerin.
Erst im Feuer des ISAngriffs begreift sie, dass nur gerettet werden kann, wer gerettet werden will.
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„Im Feuer“ ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin und Drehbuchautorin Daphne Charizani. Uraufgeführt wurde das differenzierte, bewegende, auf jedes Pathos verzichtende Heldinnendrama auf der letztjährigen Berlinale. Es ist beklemmend zu sehen, welchen Kraftakt Rodja (die großartige Almila Bagriacik) vollbringen muss, um die Balance zwischen den Welten zu halten, in denen sie lebt.
Sie rebelliert gegen den kurdischen Patriotismus ihrer Mutter (Maryam Boubani), die Rojda aus einem griechischen Flüchtlingslager nach Deutschland holt. Und sie fungiert als Mittlerin zwischen der Einheit des Ausbildungsoffiziers Alex Breidmeier (Christoph Letkowski) und der Kämpferinnentruppe der Kurdin Berivan (Zübeyde Bulut).
[Premiere mit der Regisseurin und Gästen: Babylon Mitte, Fr 16.7., 19.30 Uhr, sonst läuft der Film in den Kinos Klick und Tilsiter Lichtspiele]
Peinigend wie die sengende Hitze liegen Kriegsgräuel über dem Land. Die wütende Abwehr, mit der Rojda abends die Einladung ihrer Kameraden im Camp Erbil ablehnt, eine Runde zu bolzen, erzählt die ganze Tragödie. „Ich bin nicht zum Ballspielen hier“, fährt sie Alex an.
Zu sehr leidet sie mit den verwaisten Kindern, die allein in den Dörfern zurückbleiben. Daphne Charizani erzählt sagenhaft feinnervig. Man spürt, dass es die Angst um Tochter Dilan ist, die Rojdas Mutter dazu treibt, der anderen Tochter ihr sicheres deutsches Leben vorzuwerfen.
Ebenso unausgesprochen ist klar, dass Rojda mit der Schwester auch die eigenen kurdischen Wurzeln retten will, denen sie sich entfremdet hat. Auch das brisante Thema der Bundeswehr im Auslandseinsatz hat seit Feo Aladags „Zwischen den Welten“ niemand überzeugender angepackt, als Daphne Charizani mit „Im Feuer“.