Ungarn überrumpelt das DFB-Team: Italienischer als die Italiener

Marco Rossi verließ Leipzig unter Applaus. Genauer gesagt verließ er den Presseraum der Arena in Leipzig unter Applaus. Die Journalisten aus Ungarn klatschten, als der italienische Trainer ihrer Fußball-Nationalmannschaft sich von seinem Platz erhob und Richtung Ausgang strebte.

Rossi blieb noch einmal stehen. „Wartet, wartet“, sagte er auf Englisch, „wir haben am Montag noch ein Spiel.“ Dann lachte er.

Es ist nicht irgendein Spiel, das die Ungarn am Montag in Budapest bestreiten werden. Es ist ein ganz besonderes. Für das gesamte Land, aber auch und vor allem für Marco Rossi, 58 Jahre alt, geboren in dem kleinen Ort Druento in der Region Piemont.

Am Montag geht es für die Ungarn darum, in ihrer Nations-League-Gruppe Platz eins zu verteidigen und sich damit für das Final Four des Wettbewerbs im Juni des kommenden Jahres zu qualifizieren. In der Puskas-Arena steht dann ein echtes Endspiel gegen den Gruppenzweiten an: gegen Italien, das Heimatland von Marco Rossi.

Ein Unentschieden reicht den Ungarn, der Nummer 37 der Weltrangliste, für den Gruppensieg. Aber: „Wir wissen, gegen wen wir spielen“, sagte Rossi.

Gegen den aktuellen Europameister immerhin, der sich allerdings seit dem Gewinn des EM-Titels vor 15 Monaten mit einigen Problemen konfrontiert sieht. Bei der WM im Advent sind die Italiener nicht dabei, und erst im Juni haben sie gegen die deutsche Nationalmannschaft eine deftige 2:5-Niederlage kassiert.

Spezialität: Verteidigen. Die Ungarn haben sich mal wieder als unbequemer Gegner erwiesen.
Spezialität: Verteidigen. Die Ungarn haben sich mal wieder als unbequemer Gegner erwiesen.
© Foto: IMAGO/Schüler

Gegen den Gegner also, den die Ungarn am Freitagabend in Leipzig mit 1:0 besiegt haben. „Rossi hat es geschafft, eine Mannschaft hinzustellen, die dem Gegner kaum Raum lässt“, sagte Bundestrainer Hansi Flick. Das war vor dem Spiel. Und obwohl die Deutschen wussten, was auf sie zukommen würde, fanden sie keine Antwort auf die zu erwartende Herausforderung.

Nach zwei Unentschieden bei der EM 2021 und im Hinspiel im Juni in Budapest musste sich Flicks Team den Ungarn diesmal sogar geschlagen geben. Der frühere Mainzer Adam Szalai traf nach einer Viertelstunde im Anschluss an eine Ecke zum 1:0 für die Gäste. Was er da gedacht habe, wurde Trainer Rossi später gefragt. „Ich habe zu mir selbst gesagt: Es ist zu früh“, antwortete er.

Die Deutschen fanden keine Lösungen

Aber sein Team brachte den Vorsprung über die Zeit, mit etwas Mühe zwar in der zweiten Hälfte, aber letztlich nicht unverdient. „Mittlerweile unterschätzt uns keiner mehr“, sagte Ungarns Verteidiger Willi Orban. „Die Deutschen wussten, was auf sie zukommt. Dennoch hatten sie ganz wenige Lösungen parat.“

Dass die Ungarn inzwischen italienischer spielen als die Italiener selbst, ist nicht zuletzt das Verdienst des Italieners Marco Rossi. „Wir sind wirklich gut im Verteidigen“, sagte er nach dem ersten Sieg der Ungarn gegen die Deutschen seit 2004.

In seiner Heimat war Rossi als Trainer vor allem bei unterklassigen Vereinen tätig, sein Glück fand er erst in Ungarn, wo er mit Honved Budapest Meister wurde und schließlich 2018 das Nationalteam übernahm. „Die Mannschaft funktioniert wie eine Maschine“, hat Pal Dardai, früher selbst einmal Nationaltrainer in Ungarn, über Rossis Wirken in einem Interview bei Sportschau.de gesagt.

Während Deutschland und England am Montag in Wembley, am letzten Spieltag der Nations League, einen besseren Test für die anstehende WM bestreiten, kämpfen Ungarn und Italien, die beide nicht für Katar qualifiziert sind, um den Gruppensieg. Schon das sei ein großartiger Erfolg, sagte Rossi, „etwas, das niemand in Ungarn erwarten konnte“.

Das Hinspiel in Italien haben die Ungarn knapp mit 1:2 verloren. Es war laut Rossi der schlechteste Auftritt seiner Mannschaft in der Nations League, mithin ein guter Grund, die Dinge noch einmal gerade zu rücken. „Wenn wir uns alle aufopfern und ein bisschen Glück haben, können wir auch gegen Italien ein gutes Ergebnis erzielen“, sagte Ungarns Nationaltrainer.

Ein Freund großer Parolen ist Marco Rossi nicht, eher zurückhaltend und bescheiden. „Wenn meine Mannschaft bescheiden ist, dann ist sie ein Spiegelbild ihres Trainers“, sagte er. „Gute Mannschaften sind immer ein Spiegelbild ihres Trainers.“

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