Superhelden wie du und ich
Er muss eine ganz besondere Begabung zur Freundschaft gehabt haben. Als Richard Donner 2017 von der Oscar-Academy mit einer kleinen Gala geehrt wurde, erzählte er, dass die Filmemacherin Nora Ephron einmal wissen wollte, wie er das eigentlich macht: „Nach jedem Film, den du drehst, hast du einen neuen Freund.“ Er fügte hinzu, die Filmindustrie selbst sei ihm immer eine Freundin gewesen, so gut, wie sie es mit ihm gemeint hat.
Tatsächlich war der 1930 in der Bronx geborene und in New York aufgewachsene Regisseur durch einen Freundschaftsbeweis an seinen Job geraten. Auch diese Geschichte hat Donner gerne und häufig erzählt. Bei einem TV-Dreh beschied niemand Geringerer als der Hollywoodregisseur Martin Ritt dem 21-jährigen Nebendarsteller, dass er keine Anweisungen befolgen könne, und machte ihn kurzerhand zu seinem Regie-Assistenten.
Es war trotzdem harte Arbeit, Geduld, Handwerk vor allem: Bevor Richard Donner mit dem Horror-Klassiker „The Omen“ und 1978 mit „Superman“, dem ersten Blockbuster über einen Comichelden, Erfolge landete inszenierte er hunderte TV-Shows und Serien-Hits, darunter Folgen von „The Twilight Zone“ und „Die Straßen von San Francisco“.
Das Freundschaftsthema taucht immer wieder in seinem Werk auf. Das zutiefst Menschliche in all den Männern mit den übernatürlichen Kräften, den Haudegen, den Teufelskerlen muss ihm wichtig gewesen sein: das Kind im Mann, der Superheld im kindlichen Gemüt. Und wenn der schüchterne Reporter Clark Kent (Christopher Reeve) im Superman-Outfit seine heimlich angehimmelte Lois Lane im freien Fall rettet und samt Hubschrauber unversehrt wieder auf dem Hochhausdach abliefert, antwortet er auf die Frage nach seiner Identität nur lapidar: „Ein Freund“. Um sie später zu romantischen Rundflügen um die Freiheitsstatue einzuladen.
Als dann im Sequel die Szenen mit Superman-Daddy Marlon Brando entfernt werden sollten, um die ausgehandelte Gewinnbeteiligung einzusparen, stieg Donner aus Protest aus.
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Und was bitte ist seine Blockbusterserie „Leathal Weapon“ (1987 – 1998) über das ungleiche Polizistenduo Martin Riggs und Roger Murtaugh anderes als eine Story über ziemlich beste Freunde? Danny Glover als alternder Cop, Mel Gibson als sein blutjunger, vietnam-traumatisiertem Kollege – die Actionkomödie hätte es vielleicht nicht auf vier Folgen gebracht, wenn Donner nicht den Schluss von Folge 1 geändert hätte. Eigentlich sollten die beiden nämlich auseinandergehen.
Spätestens seit „Lethal Weapon“ gehörte Donner zu Hollywoods Top-Actionregisseuren. Aber er mochte und konnte auch andere Genres. Steven Spielberg produzierte seinen Schatzsucher-Jugendfilm „Die Goonies“; in der Western-Komödie „Maverick“ waren Jodie Foster und James Garner dabei. Beim Thriller „16 Blocks“, 2006 mit Bruce Willis (wieder ein alternder Cop), saß Donner zum letzten Mal auf dem Regiestuhl.
„Es war sehr krank, es war Zeit, für ihn zu gehen“, teilte seine Frau nun mit, die Produzentin Lauren Shuler Donner, mit der er eine gemeinsame Produktionsfirma unterhielt. Am Montag ist Richard Donner in Los Angeles gestorben, im Alter von 91 Jahren.
Hollywood trauert: Mel Gibson würdigte seinen Großmut, Steven Spielberg schrieb, mit ihm zu arbeiten, das sei gewesen, als wäre man mit „seinem Lieblingstrainer, dem klügsten Professor, dem wildesten Motivator, dem liebenswertesten Freund, dem treuesten Verbündeten“ zusammen – und natürlich “mit dem größten aller Goonies. Er war ganz Kind. Ganz Herz. Die ganze Zeit.”
Und alle erinnern sich an seinen Witz, seine Entertainer-Qualitäten, sein mal dröhnendes, mal heiseres Lachen. Es muss ansteckend gewesen sein. (mit dpa)