HSV heißt queere Menschen willkommen: „Es war ein langer Weg, die bunten Farben nach vorne zu stellen“

Es ist ein kleiner Button mit einer wichtigen Botschaft. „Welcoming Out“ steht darauf. Er soll signalisieren, dass die Person, die den Button trägt, queere Menschen unterstützt und sie dazu einlädt, sich ihr anzuvertrauen. Einer, der ihn trägt und die dahinter stehende Initiative „Welcoming Out“ unterstützt, ist Christian Stübinger, auch „Stübi“ genannt. Er ist Stadionsprecher des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV.

„Welcoming Out findet regelmäßig in unseren Stadionshows statt, sodass einige Fans bereits mit der Idee vertraut sind“, erzählt Stübinger. „Dadurch habe ich mich auch persönlich mit der Initiative auseinandergesetzt und beschlossen: Wenn meine – auch sichtbare – Teilnahme dazu führt, dass sich ein Freund, Kollege, Fan oder Hörer besser und selbstbewusster fühlt, will ich dabei sein.“

Bisher hat sich zwar noch keine queere Person Stübinger anvertraut, aber er findet: Wenn er andere Menschen dazu motivieren kann, diese Bereitschaft auch in ihrem Umfeld auszustrahlen, dann habe er schon etwas erreicht. 

Gerade angesichts der aktuellen politischen Lage ist es wichtiger denn je, stark zu bleiben und sich von seiner Haltung nicht abbringen zu lassen.

Cornelius Göbel

Neben Stübinger beteiligen sich zahlreiche prominente Persönlichkeiten an der Initiative, darunter Autorin Tupoka Ogette, Sänger Peter Plate und Fotograf Philipp Rathmer. Auch Schauspieler Jannik Schümann, der im Jahr 2020 öffentlich gemacht hat, schwul zu sein, ist dabei. Gegründet wurde die Initiative von den Diversity-Trainer*innen Vanessa Lamm und Markus Hoppe. Neben Einzelpersonen unterstützen Vereine und Unternehmen die Initiative, darunter der HSV.

Christian Stübinger ist Stadionsprecher beim HSV.
Christian Stübinger ist Stadionsprecher beim HSV.

© IMAGO/Lobeca

„Auch als Fan, der ich in erster Linie bin, war in den letzten Jahren wahrnehmbar, dass der HSV klare Werte abseits des Fußballs hat und vertritt“, sagt Stübinger. Er sei stolz auf die Werte, für die der Verein mittlerweile stehe. „Meine Ansprache habe ich bewusst geöffnet, wenn auch ohne zu Gendern, weil das in meinem persönlichen Sprechfluss einfach nicht so gut funktioniert. Initiativen rund um die LGBTQ+ Community finden prominente Plätze in unserer Show vor dem Anpfiff – und auch der Ankerplatz, unsere Anlauf- und Schutzstelle innerhalb des Stadions, ist immer wieder Teil unserer Moderationen.“

Der sogenannte Ankerplatz wurde im Jahr 2020 geschaffen und richtet sich an Menschen, die am Spieltag Diskriminierung oder Gewalt erfahren haben.

Für Cornelius Göbel ist es die „logische Konsequenz unseres Handelns“, sich an „Welcoming Out“ zu beteiligen. „Wir wollen der Initiative Sichtbarkeit und Reichweite geben. Raute ist Vielfalt und das leben wir auch“, sagt der Direktor Fans, Kultur und Identität beim HSV. „Schon seit über zehn Jahren gibt es einen queeren Fanklub beim HSV, die Volksparkjunxx. Dieses Engagement unterstützen wir, gerade weil es aus der eigenen Anhängerschaft kommt.“

Lange forderten Fans die Trennung von Sport und Politik

Die Volksparkjunxx verstehen sich als Fanklub für queere Menschen und deren Freund*innen. Als eine der ersten Gruppierungen hielten sie im Jahr 2011 das Banner „Fußballfans gegen Homophobie“ bei einem Spiel hoch. Überdies nahmen regelmäßig an Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day oder der Winterpride teil. Der HSV hat dem Fanklub sogar ein Sondertrikot gewidmet.

„Der queere Fanclub hat uns signalisiert, dass er sich beim HSV mittlerweile sicher fühlt“, sagt Göbel. Das sei nicht immer so gewesen. „Es war ein langer Weg, sich als Verein so klar zu gesellschaftlichen und politischen Themen zu bekennen und die bunten Farben nach vorne zu stellen.“

Lange Zeit hätten viele Menschen im Fußball die Trennung von Sport und Politik gefordert. „Doch diese Stimmen werden weniger. Gerade angesichts der aktuellen politischen Lage ist es wichtiger denn je, stark zu bleiben und sich von seiner Haltung nicht abbringen zu lassen.“

Das Banner der „Fußballfans gegen Homophobie“ ist mittlerweile in vielen Stadien zu sehen.
Das Banner der „Fußballfans gegen Homophobie“ ist mittlerweile in vielen Stadien zu sehen.

© imago sportfotodienst

Bislang gibt es im Fußball keinen aktiven männlichen Profi, der offen queer ist. Thomas Hitzlsperger hatte sein öffentliches Coming-out erst nach der Karriere. Bei den Frauen sieht das anders aus: Es gibt mehrere Spielerinnen in der ersten und zweiten Liga, die offen mit ihrer Queerness umgehen und sich für LGBTIQ-Rechte einsetzen.

Die Fanklubs haben einen Wertecodex unterzeichnet

„Es ist einfach, das Thema Queerness nur auf das Outing eines Profispielers zu reduzieren. Das interessiert wahrscheinlich die meisten Menschen“, sagt Göbel. Tatsächlich aber sei das Thema weitaus größer. „Im Fußball gibt es leider immer noch Homofeindlichkeit, Diskriminierung und Ausgrenzung. Daher sind die Sorgen vor einem Coming-out nachvollziehbar. Wir müssen insgesamt ein sichereres Umfeld schaffen, in dem Menschen sich trauen, sich zu outen. Es geht darum, ihr Leben ganz konkret leichter zu machen.“

Cornelius Göbel setzt sich beim HSV nach außen und nach innen für seine Werte ein.
Cornelius Göbel setzt sich beim HSV nach außen und nach innen für seine Werte ein.

© Witters

Um so ein Umfeld zu schaffen, beteiligt der HSV sich nicht nur an der Initiative „Welcoming Out“. Darüber hinaus gibt es in der Stadionordnung einen Antidiskriminierungsparagraf, der es dem Verein ermöglicht, Besucher*innen auszuschließen, die gegen die Grundwerte verstoßen. Auch die 1800 Fanklubs haben einen Wertecodex unterzeichnet, dessen Umsetzung der Verein aktiv einfordert.

„Nach außen hin setzen wir uns für Toleranz ein, indem wir Sichtbarkeit für queere Themen schaffen, etwa durch die Integration von Wecoming Out in die Stadionshows oder Bandenwerbung“, so Göbel. Innerhalb des Klubs werden Mitarbeitende durch Workshops für Themen wie Queerness sensibilisiert.

„Das, was die Gesellschaft im Großen beschäftigt, das beschäftigt Fußballstadien im Kleinen. Dazu gehören Homofeindlichkeit, Antisemitismus und die Gefahren, die aktuell unter anderem von der AfD ausgehen“, so Göbel. „Je unklarer Vereine in ihrer Haltung sind, desto eher haben Menschen mit diesem Gedankengut die Möglichkeit, das auszunutzen.“ Das wollen Göbel, Stübinger und der HSV verhindern. Ein kleiner Button mit wichtiger Botschaft soll dabei helfen.