„Nach dem Abpfiff kamen die ersten Nachrichten“: Welchen Einfluss die EM der Frauen auf Berliner Fußballvereine hat
Die Aufmerksamkeit für weiblichen Fußball ist jetzt da. Fast alle Spiele der Europameisterschaft in der Schweiz ausverkauft, Zuschauerrekord. Den Krimi gegen Frankreich mit der Weltklasse-Parade von Keeperin Ann-Katrin Berger sahen in Deutschland mehr als 10 Millionen Menschen.
Anders als früher wächst heute kaum ein Kind mehr in dem Glauben auf, Mädchen könnten nicht Fußball spielen. Schwappt die EM-Euphorie jetzt auch zu den Berliner Vereinen?
„Grundsätzlich gibt es nach solchen Events immer wieder einen Schub“, sagt Jugendkoordinatorin Katha vom Frauen- und Mädchenvereins DJK FFC Britz 09. Schon nach der EM der Männer sei viel los gewesen. Über die letzten Wochen sind nun rund 40 Anfragen von Interessierten eingegangen – dabei hat der Neuköllner Verein insgesamt nur etwa 100 Mitglieder und gerade Sommerpause. „Gefühlt kamen nach dem Abpfiff des ersten deutschen Spiels schon die ersten Nachrichten.“
Immer mehr Berlinerinnen werden Mitglied in Fußballvereinen
Auch Janosch Franke, der Pressesprecher des Berliner Fußball-Verbands (BFV), sagt: „Klar ist, dass solche Spiele wie jetzt gegen Frankreich in der öffentlichen Wahrnehmung schon einen Effekt haben.“ Der BFV ist die Dachorganisation der rund 400 Fußballvereine in Berlin. Da die Mitgliederzahlen vom BFV nur einmal jährlich zum 1. Januar erhoben werden, kann man dort allerdings noch nicht abschätzen, wie groß der Effekt der EM für die Mitgliederentwicklung sein wird.
Ein Erfahrungswert: Nach der letzten Europameisterschaft 2022 habe es zwar keinen sprunghaften Anstieg in den Statistiken gegeben. Allerdings zeigen die Zahlen, die der BFV erhebt, dass die weiblichen Mitgliederzahlen seit Jahren konstant wachsen. Das Interesse scheint also auch unabhängig von Großereignissen wie der EM immer größer zu werden.
Das stetige Wachstum zeigt sich gerade bei den Mädchen: 9500 weibliche Mitglieder unter 16 Jahren zählte der BFV für 2025. Fünf Jahre zuvor lag die Zahl bei 6400. Und auch die Zahl der reinen Mädchenmannschaften hat sich von 135 (2021) auf 236 fast verdoppelt und ist damit noch rasanter angestiegen als die Zahl der Frauenmannschaften ab 16 Jahren, die über die fünf Jahre von 106 auf 120 Teams angewachsen ist.
Auch Yvonne Schumann, Vorsitzende des Frauenfußballclubs Berlin 2004 (FFC Berlin), berichtet von stetigem Zulauf in den letzten Jahren. Durch die EM habe es zwar noch keinen exorbitanten Sprung gegeben, für Berlin insgesamt erwartet sie aber durchaus gesteigertes Interesse. „Ich glaube schon, dass es jetzt noch mehr Aufschwung gibt.“
Weibliche Vorbilder werden normal
In Deutschland wachsen heute überall kleine Jungs und Mädchen auf, die ihre Vorbilder auch in der Nationalmannschaft der Frauen finden. DFB-Stürmerin Laura Freigang sagte kürzlich in einem Interview mit Sports Illustrated: „Ich denke dabei an all die Mädchen, die Fußball spielen, die träumen, die sich wünschen, einmal dort zu stehen, wo ich stehen darf. In diesen Momenten darf ich all diese Träume repräsentieren.“
„Werde mich aus den sozialen Medien zurückziehen“ Englands Jessica Carter macht rassistische Anfeindungen bei EM öffentlich EM-Kolumne „Nachspielzyt“ (6) Wer schlecht plant, muss bei den Koi-Karpfen schlafen
In der nächsten Saison wird der Verein von sechs auf acht Mannschaften anwachsen. Der Bedarf wäre aber sogar noch größer: „Viele Vereine haben zu wenige Trainer. Das Problem haben wir auch, weil wir alles ehrenamtlich machen.“
Das Thema Trainermangel und begrenzte Platzzeiten im Breitensport kennt auch der FFC Berlin. „Letztes Jahr hatten wir das erste Mal einen Aufnahmestopp in einer Altersklasse“, sagt Yvonne Schumacher. Insgesamt gibt es im Verein aber noch freie Plätze und man versuche weiter, alle aufzunehmen.
Sollten einzelne Vereine inzwischen tatsächlich keine Kapazitäten für Neumitglieder haben, rät Janosch Franke etwa den Eltern interessierter Mädchen, sich gleich bei verschiedenen Vereinen in der Nähe zu informieren. „Ich denke schon, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen will, auch einen Platz in Berlin findet.“