Neues Album von Sharon Van Etten: Wenn es Nacht wird überm Yucca Valley

Die Worte sind Sharon Van Etten zuvor nie über die Lippen gekommen: „Let’s jam!“ Lasst uns jammen!

Klingt nach einer Selbstverständlichkeit für eine Musikerin, die seit mittlerweile 16 Jahren Platten herausbringt. Doch Van Etten musste erst 40 werden, um das zu erleben, womit andere als Teenie in die Karriere starten: in einer Band zu spielen.

Ihre heißt The Attachment Theory – was soviel bedeutet wie „Theorie der Bindung“ – und besteht aus drei Musikerinnen und Musikern, die Van Etten in der Vergangenheit auf Tour begleitet haben.

Als die Tournee zum bislang jüngsten Album „We’ve Been Going About This All Wrong“ (2022) bevorsteht, fahren alle zusammen zum Proben hinaus in die Wüste. Van Etten lebt in Los Angeles, da kann man das schon mal machen. In der Ödnis des Yucca Valley, fallen die folgenschweren Worte, die Einladung zum Jam.

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Sie markieren den Moment, in dem Van Etten, die stets die Einsamkeit suchte, um ihre Songs zu schreiben, erstmals andere Menschen in diesen kreativen Prozess hineinlässt. Innerhalb einer Stunde in der Wüste entstehen die ersten Versionen zweier Stücke, die es nun auch auf das gemeinsame Album geschafft haben: „Sharon Van Etten & The Attachment Theory“ (Jagjaguwar/Cargo), das am Freitag erscheint. Eine fabelhafte Platte mit einem atmenden, druckvollen Sound, den es bei Van Etten so noch nicht zu hören gab.

Nebenbei studiert sie Psychologie

Die Musikerin selbst betont in Interviews, wie wichtig dieser Moment für sie gewesen sei. Über Jahrzehnte hinweg habe sie sich in das Musikmachen verkrochen wie in einen Safe Space. Eine Angewohnheit, die aus einer toxischen Beziehung herrührt, in der sie sich mit Anfang 20 gefangen sah. Ihr damaliger Freund hat ihre Ambitionen kleingemacht, sie verspottet für ihre musikalischen Gehversuche. So musste sie heimlich schreiben und bei Open-Mic-Abenden auftreten.

Von diesen Anfängen hat sie einen weiten Weg zurückgelegt: vom Schau-in-den-hintersten-Winkel-meiner-Seele-Gestus ihrer frühen Singer-Songwriter-Stücke über den warmen, voller instrumentierten Indie-Sound von Alben wie „Tramp“ (2012) und „Are We There“ (2014) bis hin zum elektronisch durchsetzten Befreiungsschlag von „Remind Me Tomorrow“ (2019).

Van Etten will sich nicht wiederholen. Deswegen produziert sie zwischendurch einen Filmsoundtrack („Strange Weather“), spielt in einer Serie mit („The OA“) und treibt schubweise ihr Psychologiestudium voran. Gleichzeitig scheint sie mit jeder Häutung mehr Selbstbewusstsein angesammelt zu haben, um sich aus der Deckung heraus und in die künstlerische Bindung hineinzuwagen.

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Zum pumpenden Herz der Songs avanciert Devra Hoffs Bassgitarre. Etwa bei der mittig platzierten Energiespritze „I Can’t Imagine (Why You Feel This Way)“, die so klingt, als hätte sich eine Goth-Jüngerin in einen Funk-Club verirrt. Wie Hoff nach zwei Minuten ein paar Gänge hochschaltet, reißt einen förmlich aus dem Ohrensessel.

Das lauernde „Trouble“ wiederum legt sich Schicht um Schicht um Hoffs so voluminöses wie geschmeidiges Spiel. Liebersons Synthie öffnet geisterhafte Flächen, als würde ein ewig dämmriges Yucca Valley am Autofenster vorbeikriechen. Dazu singt Van Etten von Entfremdung: „All the stories that I can’t tell / Watered down versions of my own hell.“ Puh! Sie ist sich selbst gegenüber noch immer erbarmungslos.