Musicboard-Chefin Marie von der Heydt : „Für eine vielfältige Pop-Szene ist es wichtig, auch Unkommerzielles zu fördern“
Marie von der Heydt, welches Konzert haben Sie zuletzt besucht und wie war es?
Ein tolles Konzert dieses Jahr war Bodies, ein Chorprojekt um die Musikerin Kat Frankie in der Philharmonie. Acht Stimmen, a-capella in so einem Konzertraum, das war sehr beeindruckend. Gerade gestern war ich bei „Sing dela Sing“ im Heimathafen Neukölln, einem kollektiven Karaoke-Singen. Da kam auch Konzertatmosphäre auf: Drei Musiker spielen live, auf den Leinwänden laufen die Lyrics und der ganze Saal singt mit.
Was zum Beispiel?
Einmal durch die Bank – von den Sechzigern über Phil Collins bis hin zu Justin Bieber. Am Ende ist eigentlich immer „Imagine“ von John Lennon dran, doch wegen des Todes von AnNa R. haben wir von Rosenstolz „Liebe ist alles“ gesungen. Das war ergreifend und sehr schön, irgendwie ein Popkulturmoment. Ich finde Chorgesang ohnehin toll und freue mich, dass er jetzt wieder ein bisschen auf die Bühnen zurückkommt.
Haben Sie selbst Chorerfahrung?
Ja, ich komme aus einer norddeutschen Kleinstadt, und da gab es den Kirchenchor, den Schulchor und wir haben eine Musical-AG gegründet. Ich habe dort während meiner gesamten Jugend gesungen. Als ich zum Studieren weggezogen bin, hatte ich immer wieder Gesangsprojekte aber das ist mittlerweile leider etwas in den Hintergrund getreten.
Mit welcher Musik sind Sie aufgewachsen?
Weil meine Mutter Klavierlehrerin ist, war viel Klassik dabei. Und weil ich in den Neunzigern groß geworden bin, kam über das Musikfernsehen auch viel Pop, Indie-Rock und Alternative-Folk dazu. Ich war ein großer Radiohead-Fan, habe Coldplay und die Smashing Pumpkins gehört. Britpop natürlich auch und die spätere Hamburger Schule. Das ist sozusagen mein Zuhause. Inzwischen finde ich in allen Genres etwas, was mir gefällt. Meine Playlists sind sehr bunt.
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Seit Januar leiten Sie das 2013 gegründete Musicboard Berlin, das sie schon 2024 interimsweise geleitet haben. Was möchten Sie verändern in der landeseigenen Fördereinrichtung für Popmusik?
Da wir uns aktuell in einer Phase der starken Haushaltskürzungen befinden, sind für die drei Jahre, für die ich berufen wurde, zunächst mal keine großen neuen Programme angedacht. Trotzdem haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, das Thema Professionalisierung stärker in den Blick zu nehmen. Wir wollen junge und aufstrebende Künstler:innen nicht nur finanziell fördern, sondern ihnen auch helfen, sich besser zurechtzufinden in der Musikbranche.
Zudem werden wir unsere Förderprogramme evaluieren, um zu gucken, ob das nach zehn Jahren immer noch dem entspricht, was die Popkultur-Szene hier braucht, oder ob wir Schwerpunkte verschieben können.
Wir sind eines der kleinsten landeseigenen Unternehmen, weshalb Kürzungen schnell an die Substanz gehen. Wir haben keine Rücklagen oder sonstige Puffer.
Marie von der Heydt, Geschäftsführerin des Musicboard Berlin
Wie soll diese Professionalisierungsförderung aussehen?
Wir verknüpfen seit letztem Jahr zum Beispiel unsere Stipendien mit einem Coaching- und Mentoringprogramm. Dafür kooperieren wir mit dem Music Pool Berlin, die Expert:innen in diesem Bereich sind. Das Ziel ist, jeweils die passende Person für den individuellen Bedarf der Künstler:innen zu finden. Je nachdem, ob jemand nun seine Live-Performance verbessern, an seinem Social-Media-Auftritt arbeiten oder mehr über die Studio-Produktion lernen möchte. So möchten wir die Förderung auch nachhaltiger gestalten.
Sie haben die Haushaltskürzungen angesprochen. Als die ersten Pläne des Senats für das Musicboard bekannt wurden, war eine Einsparung von 750.000 Euro vorgesehen, was 25 Prozent des Budgets bedeutet hätte. Letztlich wurde die Vorgabe auf 300.000 Euro gesenkt. Wie haben Sie das geschafft?
Die Kürzungsliste war ein Vorschlag aus der Senatsverwaltung für Finanzen, in den keine Kulturfachlichkeit eingeflossen war. Die dort vermerkten 750.000 Euro waren ein richtiger Schock, weil wir davon wirklich nicht ausgegangen sind.
Wir hatten mit maximal 10 Prozent gerechnet, was uns als kleine Institution auch schon sehr trifft. Aber 750.000 hätte bedeutet, dass wir 50 Prozent unserer Fördermittel hätten streichen müssen, denn wir haben ja auch Fixkosten, die wir nicht einfach streichen können. Wir sind eines der kleinsten landeseigenen Unternehmen, weshalb es schnell an die Substanz geht. Wir haben keine Rücklagen oder sonstige Puffer.
So mussten Sie zu Beginn ihrer Amtszeit gleich in den Kampfmodus gehen.
Ich bin in meinem Berufsleben schon oft ins kalte Wasser gesprungen, aber so kalt war es selten. Ich habe sehr viel mit den kultur- und haushaltspolitischen Sprecher:innen geredet und natürlich auch mit der Kulturverwaltung, um eine verträglichere Lösung zu finden. Joe Chialo hat uns dabei unterstützt und wir sind in gutem Austausch. Wir konnten die Kürzung auf 300.000 Euro reduzieren, das war dann in der nächsten Liste vermerkt.

© Dominique Brewing
Mit dem verbindlichen Vermerk, diese beim Pop-Kultur Festival zu sparen.
Wogegen wir uns wieder wehren mussten. Denn das wären die gesamten Landesmittel für das Festival gewesen, die wiederum die Bedingung für dessen EU- und Bundesförderung sind. Die wären dann weggefallen. Ich habe wieder lange Gespräche geführt, um zu erklären, warum Pop-Kultur eine wichtige Plattform ist und anders als ein kommerzielles Festival funktioniert. Dort spielen zwar auch größere Acts und wir wollen natürlich Tickets verkaufen, aber in erster Linie geht es darum, dem Nachwuchs eine Bühne zu bieten und dem Publikum die vielfältige Berliner Popkultur zu zeigen.
Sie hatten Erfolg: Der Vermerk fiel weg. Aber wo sparen Sie die 300.000 Euro jetzt ein?
In unserem Overhead, also in unserem Geschäftsbetrieb. Nicht bei den Gehältern, aber bei einigen Sachkosten. Außerdem werden wir weniger fördern können dieses Jahr. Aber die Förderprogramme bleiben erhalten und damit wichtige Strukturen, mit denen wir weiter arbeiten können.
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Joe Chialo hat der Kulturszene den Rat gegeben, sich stärker nach Sponsoren umzuschauen. Wie sehen Sie diesen Rat im Hinblick auf die Popszene der Stadt?
Weil Popmusik stärker als andere Kunstformen in einer Marktlogik funktioniert, hat sie es da etwas leichter. Sie ist ja ohnehin stärker privat organisiert. Und viele Nachwuchsmusiker:innen wollen das auch. Sie wollen einen Plattenvertrag, sie wollen auf Tour gehen. Wirtschaftlichkeit und Förderung schließen sich nicht aus.
Bei Pop-Kultur arbeiten wir schon lange mit Sponsoren, auch bei der Fête de la Musique bekommen wir viele Sponsoring-Anfragen. Ich scheue mich nicht davor, aber die Kunst steht für mich immer im Vordergrund. Wir sind die Einrichtung, die die Menschen am Beginn ihrer Karriere unterstützt. Für eine vielfältige Popkulturszene ist es wichtig, dass man auch das fördert, was nicht oder noch nicht kommerziell erfolgreich ist.
In meinen drei Jahren hier soll es nicht nur um Kürzungen, sondern auch wieder um Inhalte und neue Ideen gehen können.
Marie von der Heydt, Geschäftsführerin des Musicboard Berlin
Das Pop-Kultur Festival wird im August sogar sechs statt bisher drei Tage lang sein. Was ist geplant?
In diesem Jahr werden wir das Festival etwas entzerren und verlängern. Es wird von Montag bis Samstag stattfinden, neben der Kulturbrauerei werden wir das gesamte Silent Green in Wedding bespielen, wir die Eröffnung feiern. Das Nachwuchs- und das Talkprogramm werden ebenfalls hier stattfinden und wir planen lokal Konzerte an verschiedenen kleineren Orten in Wedding. Am Freitag und Samstag sind wir dann mit dem Konzert-Programm wieder in der Kulturbrauerei.
Das Hin und Her mit den Kürzungen hat dazu geführt, dass wir mit der Planung erst drei, vier Monate später richtig anfangen konnten als normalerweise. Aber wir möchten uns dennoch weiterentwickeln, und ich glaube, es wird richtig gut.
Können Sie schon einige Acts verraten, die spielen werden?
Leider noch nicht! Aber ich kann versprechen, dass für jede:n etwas dabei ist und man wieder auf Entdeckungstour gehen kann. Neben großartigen Berliner Nachwuchsbands werden auch etablierte Acts ihren Festivalsommer mit uns verbringen, wir werden die Popkultur in großer Breite erkunden. Ostern starten wir den Ticketverkauf, und wenn man die ersten Acts mitkriegen will, dann empfehle ich unseren Newsletter und den Instagram-Account.
Wie sieht es mit der Fête de la Musique aus? Wird man ihr die Kürzungen anmerken?
Wir haben tatsächlich etwa 20 Prozent weniger Mittel als im Vorjahr. Das ist schon heftig, aber das kriegen wir trotzdem gut hin. Wir haben ein großartiges Team für die Organisation, das zentrale Programm und die Öffentlichkeitsarbeit.
Für variablere Programmbestandteile ist ein bisschen weniger Geld da, aber wir hoffen, dass wir das durch Partnerschaften, Sponsoring und das Einbeziehen der Stadtgesellschaft auffangen können – zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit. Unternehmen, die sich da engagieren, können dann etwa Partner von Bühnen werden.
Mit der Sparpolitik wird es auch im kommenden Jahr weitergehen. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Ich hoffe, dass der Senat die Kultur nicht noch einmal mit einer derartigen Härte angeht. Damit will ich keine Ressorts gegeneinander ausspielen, aber ich wünsche mir sehr, dass Lösungen gefunden werden, die für die Kultur verträglich sind. Vor allem sollte es einen engen Austausch mit der Verwaltung geben und Kulturfachlichkeit einbezogen werden. Wir sollten auch frühzeitig informiert werden.
Ich habe bei meinen Antrittsbesuchen im Abgeordnetenhaus und bei der Verwaltung, bei denen es fast nur um die Sparpolitik ging, auch gesagt, dass ich das Musicboard weiterentwickeln möchte. Dazu muss man mir aber auch die Möglichkeit geben. In meinen drei Jahren hier soll es nicht nur um Kürzungen, sondern auch wieder um Inhalte und neue Ideen gehen können.